Anderstouren

Das liebe Vieh…

Es sind die Tiere, die uns nach Kangaroo Island locken und uns die horrende Summe für die Fährüberfahrt noch einmal auf den Tisch legen lassen. Nirgendwo auf dem Festland sieht man Wildtiere in so großer Zahl wie hier. Deswegen sind wir mit Kamera und Stativ bewaffnet unterwegs und hoffen auf ein paar gute Aufnahmen.

Am ersten Tag fahren wir quer über die Insel in den Norden und zur Emu Bay. Emus gibt es dort zwar keine, dafür aber einen herrlichen Strand, den man cooler Weise mit dem Auto befahren darf. Wir parken also direkt am Wasser, Badezeug an und nichts wie rein. Denn es ist heiß. Gestern in Adelaide wurde überall auf Leuchttafeln vor der extremen Hitze gewarnt und das Thermometer erreichte wieder die 45. Auf Kangaroo Island ist es glücklicherweise immer etwas kühler als auf dem Festland, aber die 35 Grad heute sind auch ein Wort. Die Hitzewelle und die damit einhergehende Trockenheit sind auch hier nicht spurlos vorbei gegangen. Mit der Trockenheit haben die Inselbewohner ohnehin jedes Jahr zu kämpfen, aber so schlimm wie jetzt war es schon lange nicht mehr. Die Wiesen sind braun und verdorrt, die Wasserlöcher und Seen allesamt ausgetrocknet und das ganze Land bettelt nach Wasser.

Auf Kangaroo Island gibt es keine Hotels, weil man nicht genug Wasser für die Gäste bereit stellen könnte und die Bewohner behelfen sich mit großen Wassertanks und Wassergruben. Diese künstlichen Wasserlöcher sind jedoch für die Schafe und Rinder vorgesehen und gleich zweimal umzäunt, um sie vor den Kängurus, oder gar den Koalas zu schützen. Auf Kangaroo Island sind Koalas der Feind. Aus vier Tieren, die von dem Festland auf die Insel kamen, entwickelten sich 16.000, die bald alle Bäume kahl fraßen. Also setzte man sich zusammen und überlegte, wie mit der „Koala-Plage“ zu verfahren sei. Schließlich wurde ein Tierarzt beauftragt, die Koalas nach und nach zu kastrieren. Das muss man sich mal vorstellen. Was für ein Job! Der Gute verdient sich auf jeden Fall seither eine goldene Nase an seiner Lebensaufgabe. Allerdings scheint er recht erfolgreich zu sein, denn bisher haben wir keine Koalas gesehen.

Dafür kommen einige Delphine in die Bucht, während wir baden und wir sehen ihnen zu, wie sie durch die Wellen gleiten. Das Wasser ist herrlich klar und erfrischend und auch die Inselbewohner drängen an einem heißen Tag wie heute an den Strand. Im Lauf des Nachmittags herrscht dort ein reger Verkehr. Die Autos parken nebeneinander und man hält bei runtergekurbelter Scheibe ein kurzes Schwätzchen. Die Insel ist klein, man kennt sich. Auf dem Strand stehen bald an die 20 Jeeps, nur die Touristen mit ihren Wohnmobilen bleiben auf dem offiziellen Parkplatz vor dem Strand stehen. Ein weißer Pkw bleibt bis zur Achse im Sand stecken. Keine fünf Minuten später ist einer der Pickups zur Stelle und zieht ihn mühelos wieder heraus. Handschlag und weiter geht’s. Bei der Aktion hat sich der Pkw den rechten Kotflügel abgerissen, doch das scheint den Fahrer nicht sonderlich zu stören. Er setzt seine Fahrt am Strand munter fort und lässt sich den schönen Tag von ein paar Kratzern nicht verderben. Too easy. Australische Gelassenheit.

Bei den vorbeifahrenden Autos fällt uns auf, dass nicht nur die Camper, sondern auch jeder normale Wagen eine Markise am Dachträger hat. Schatten ist wichtig. Jeder Kinderspielplatz, jeder Pool ist in Australien überdacht, Sonnenbaden ist out. Gegen Abend zieht sich der Himmel jedoch zu und dann passiert das Unglaubliche: Es regnet, es regnet tatsächlich. Ein Wind fegt ungastlich über das Land und wir können zusehen, wie das Thermometer von 35 auf 18 Grad abstürzt. Wir holen die Jacken raus, setzen uns in die Kabine und erleben den ersten (und vielleicht auch letzten) verregneten Abend auf dieser Reise.

Zweiter Tag unserer „Kangaroo Island Safari“. Hm, bisher haben wir gerade einmal sechs Kängurus gesehen, die sofort erschrocken in den Busch flüchteten, als wir uns mit dem Auto näherten. Die Koalas scheinen tatsächlich alle dem Gruseldoktor zum Opfer gefallen zu sein und auch sonst sind uns bisher keine Tiere begegnet. Also wollen wir es heute systematischer angehen. Ich habe einen Tipp bekommen, wo sich die Koalas vor allem aufhalten und dieses Gebiet durchfahren wir nun im Schritttempo. Obwohl sich unsere Blicke die ganze Zeit in die Wimpfel der hohen Eukalpten richten, entdecken wir als erstes einen Waran und eine schwarze Schlange am Wegesrand. Warum auch immer. Dann endlich: Der erste Koala. Christian sieht ihn zuerst. Das war auch nicht allzu schwer, denn die Astgabel, in der es sich der kleine Kerl gemütlich gemacht hat, hängt uns quasi auf der Windschutzscheibe. Wir steigen aus und schießen begeistert ein paar Fotos, während er uns neugierig betrachtet. Dann gähnt er einmal herzlich und einige Minuten später dreht er den Kopf. Und das ist auch schon die ganze Aktivität, zu der wir ihn animieren können. Ansonsten scheint er es in seiner Astgabel einfach viel zu bequem zu haben.

Auch den zweiter Vertreter dieser gemütlichen Spezies entdeckt Christian. Nicht zu fassen. Mein Mann findet normalerweise nicht einmal die Butter im Kühlschrank. Doch hier im dichten Busch entwickelt er sich zum totsicheren „Koala-Finder“. Unser pelziger Freund scheint sich in der schwankenden Astgabel eines hohen Eukalyptus pudelwohl zu fühlen. Ich würde mich in dieser Höhe die ganze Zeit nur panisch an den Ästen festkrallen wie an den Ketten des Karussells im Tivoli (ich begreife bis heute nicht, was mich geritten hat, dass ich dort freiwillig eingestiegen bin). Doch er schaut nur zufrieden auf uns herab, wohlwissend, dass wir ihm dorthin niemals folgen könnten.

Der Dritte sitzt schließlich einfach im Gras neben einem stachligen Busch und schaut mich mit großen Augen an. Natürlich habe ich in diesem Moment keine Kamera dabei. Mist. Denn es ist äußerst selten, dass man einen Koala auf dem Boden antrifft. Denn es hat ja etwas mit Bewegung zu tun, vom Baum herunter und auf den nächsten Eukalyptus wieder hinauf zu klettern. Das tut der kleine Kerl dann auch. Mit wackelndem Hintern bewegt er sich in aller Ruhe auf vier Pfoten auf den nächsten Baum zu und klettert den Stamm dann auffallend behände und mühelos empor. Klar. Dort oben warten ja auch die saftigen grünen Blätter auf ihn und mit Futter kann man einen Koala immer locken. Er setzt sich also erst bequem in die nächste Astgabel, zieht den Ast dann zu sich hinunter und beginnt in aller Ruhe zu futtern. Am Ende des Tages sind wir mit unserer Ausbeute noch zufriedener als der Koala mit seinem Plätzchen im Schlaraffenland. Wir haben sieben Koalas, einen Waran, eine Schlange und ein Dutzend Opossums und Wallabies gesehen. Letztere allerdings erst in der einbrechenden Dunkelheit und auf der Rückfahrt zu unserem Campground, sodass wir nicht mehr filmen konnten. Das wollen wir heute am dritten und letzten Tag unserer Safari natürlich noch nachholen.

An den Remarkable Rocks, eine, nebenbei erwähnt, wirklich absolut bemerkenswerte Felsformation, gehen wir auf „die Jagd“. Während nachmittags auf dem Parkplatz der Hauptattraktion auf Kangaroo Island die Touristen in Scharen einfallen, wird es abends erstaunlich ruhig und die Wallabys kommen zum Vorschein. Wallabys sind kleine Kängurus, die auf dem Festland fast gänzlich verschwunden sind. Von daher haben wir hier wahrscheinlich die einzige Gelegenheit sie zu sehen und zu filmen.

17 Uhr. Komplett ausgerüstet mit Kamera und Stativ und mit Bushman Deet eingespüht pierschen wir auf einsamen Pfaden durch den Busch. Wir halten konzentriert Ausschau, versuchen möglichst kein Geräusch zu machen und unterhalten uns nur flüsternd. Es ist heiß und der Weg steinig und schweißtreibend. Egal. Irgendwo müssen wir doch ein Wallaby aufspüren. Wir stolpern weiter, eine geschlagene Stunde lang. Doch das einzige, was wir finden, sind Rieseninsekten, die lautstark brummend und durchaus furchteinflößend unsere Köpfe umschwirren. Nirgendwo ein Wallaby.

Irgendwann drehen wir resigniert um und laufen zum Auto zurück. Verschwitzt, derangiert und durstig lassen wir den Fotorucksack auf dem Parkplatz zu Boden fallen und werfen uns in unsere Stühle. Erstmal eine Pause. Ich will die Wasserflasche gerade an die Lippen setzen, als ich eine Bewegung im Augenwinkel wahrnehme. Ich drehe mich um und da sitzt es: Das Wallaby und zwar direkt neben unserem Fotorucksack. Gefühlt stemmt es die Pfoten in die Hüften und klopft ungeduldig mit dem Fuß, als wollte es sagen: „Hey guys, here I am!“ Fassungslos taste ich nach Christians Arm und mache ihn auf unseren Besucher aufmerksam. Auch er kann es nicht glauben. Da rennen wir eine Stunde wie die Blöden durch den Busch, jederzeit filmbereit und treffen das begehrte Filmobjekt dann hier, einen Meter neben unserem Auto und dann können wir trotzdem kein Bild davon schießen, weil es all unsere Kameras beschlagnahmt. Wo gibt’s denn so was?
Nachdem uns das kleine Känguru eine Weile aufmerksam betrachtet hat, springt es jedoch weg und wir können uns wieder „bewaffnen“. Wir finden es einige Meter weiter vor einem Busch wieder, wo es dankbar aus einer Pfütze trinkt und so bekommen wir doch noch das langersehnte Foto von einem Wallaby.

Als hätte es damit den Startschuss gegeben, kommt noch ein zweites Wallaby aus dem Gebüsch, das sich ebenfalls von uns filmen lässt. Später sehen wir 10-15 der kleinen Tiere am Wegesrand und mehrere Kängurupaare, die sich auch dann nicht beim Grasen stören lassen, als wir uns mit Kamera und Stativ nähern. Damit ist unsere Safari für mich perfekt. Mit jede Menge Film- und Fotomaterial und vielen schönen Erinnerungen im Gepäck können wir die Insel morgen getrost verlassen. Bye, bye Kangaroo Island!

Ein Kommentar

  1. Nicht suchen, sondern finden, das ist das Motto 🙂 Passt auf, dass ihr nicht aus Versehen ein süßes Tierchen in eurer Kabine mitnehmt 😉 Liebe Grüße!

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