Stellt Euch vor, ihr liegt in einem Liegestuhl, habt die Beine hochgelegt und lasst Euch die Sonne auf den Pelz scheinen. Es sind angenehme 28 Grad, es geht ein wunderbarer warmer Wind, der nach Staub und der Hitze dieses Tages riecht. In der Ferne schreit ein Rabe und ab und zu schwirrt eine Fliege vorbei. Sonst ist es still. Doch wenn ich dieses Bild zeichne, dann würdet ihr sicher niemals auf die Idee kommen, dass sich direkt vor Euren Füßen ein Abgrund von 400 Metern Tiefe auftut. Ich hätte mir das auch nicht ausmalen können, hätten wir nicht gerade unser Lager an dem wohl unglaublichsten Platz auf diesem Erdball aufgeschlagen.
Wir sind in den Canyonlands und der Colorado River hat dieses unfassbare Panorama geschaffen. Dort unten in der Tiefe tut sich ein Gewirr aus Canyons und Felstürmen auf, eingefasst von diesem riesigen Amphitheater, an dessen Rand wir gerade sitzen. Hier draußen ist niemand, außer den Raben und uns. Wir sind aber auch über einen ziemlich ungemütlichen Track hierher gekommen, den unser Offroad-Führer als „easy“ beschreibt. Etwas für Anfänger, alles kein Problem. Klar, die Amis heizen ja auch mit ihren ATVs (das sind geländegängige Quads) durch diese Gegend. Doch für uns sind die 50cm tiefen Felsabbrüche eine echte Herausforderung. Wir geraten dabei in böse Schräglagen und immer wieder hängt ein Rad in der Luft. Dann wartet tiefer Sand auf uns und gleich darauf die nächste fiese Spalte. Doch der Track hat uns hierher gebracht und nun stehen wir auf dieser Terasse der besonderen Art.
Ich ziehe die Schuhe aus, trete ganz vorsichtig an den Abgrund heran und lasse meinen Blick schweifen. Die Felsen, die dort vorn auf der Abbruchkante liegen, sehen so aus, als wollten sie sich mit lautem Getöse ins Tal stürzen und die kleinen Büsche mit sich reißen, die ihre Wurzeln in eine der Felsspalten geschlagen haben. Die Sonne wirft ein goldenes Licht auf die rötlichen Felsen, zeichnet die Schatten der Canyons dort unten nach. Langsam, ganz langsam sinkt sie hinter den Horizont und Christian entzündet unser Lagerfeuer. Das trockene Holz knackt, es riecht nach Rauch, nach Harz. Meine nackten Füße stehen auf diesem Stein, der die Wärme des heißen Tages noch in sich trägt, hinter mir ist unser Lager und vor mir die Unendlichkeit. Ich höre mein Herz schlagen, halte den Atem an…
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Hallo ihr lieben
Das ist ein super schöner Text, der so richtig Fernweh macht. Werde ihn wohl am Abend vor dem Kamin nochmals lesen müssen und dabei Moni im Arm halten. 🙂
LG Roli
:-)) Au ja – macht das! Freut uns, dass wir dieses Gefühl von Wildnis und Einsamkeit mit Euch teilen konnten!
Ganz liebe Grüße
Sonja