Ich sitze ziemlich entspannt in meinem Flugzeugsitz und beobachte zufrieden, wie Patrick Swayze Jennifer Grey auf die Füße zieht, um mit ihr zu „Time of my Life“ den letzten Tanz der Saison zu bestreiten. Während ihr Vater den beiden einen grimmigen Blick hinterher wirft, wird unser Flieger von einer ordentlichen Windböe getroffen. Prompt friert das Bild ein, eine Durchsage kündigt Turbulenzen an. Na gut – wird schon nicht so schlimm werden. Ich folge Patrick und Baby, die gerade die Bühne betreten, als das ganze Flugzeug zu rütteln beginnt. Du liebe Güte. Das sind aber schon heftigere „Turbulenzen“. Ich schaue besorgt zum Fenster hinüber. Wir sind im Landeanflug auf Halifax, vor dem Fenster zieht eine graue Suppe vorbei, Regentropfen peitschen auf die Tragflächen. Ich wenden mich wieder dem Bildschirm zu, Patrick legt den Arm um Baby, da trifft die nächste Sturmböe auf das Flugzeug, das prompt zu schaukeln beginnt. Nun sitze ich kerzengerade in meinem Sitz. Hilfe. Ist das normal?
Die nette Neufundländerin neben mir schaut mitleidig zu mir hinüber. „Das ist ein tropischer Sturm“, erklärt sie. „Das haben wir hier oft. Die Winde treffen hier ziemlich ungebremst auf Land.“ Wie bitte? Ein Hurrikan in Kanada? Ich hätte sie eher in Richtung USA verordet. Aber klar – ist nicht weit weg. Vielleicht hat sich einer verirrt und ist zu weit nördlich unterwegs. „Vor zwei Jahren war es ganz schlimm. Da hat ein solcher Sturm unseren Garten verwüstet. Mehrere dicke Bäume sind Richtung Haus gefallen und einen Wasserschaden hatten wir auch.“ Na wunderbar. Das beruhigt mich jetzt nicht wirklich. Denn wieder wird die Tragfläche auf der einen Seite nach unten gerissen, sodass wir ordentlich schwanken. Während wir uns immer weiter Richtung Boden bewegen, wird das ganze Flugzeug von heftigen Schlägen durchgeschüttelt. Selbst Christian schaut besorgt drein und das will etwas heißen, denn den bringt beim Fliegen sonst nichts aus der Ruhe. Bei all den Flügen (es sind bestimmt um die hundert) hatten wir so etwas noch nie und ich kann mich gar nicht entscheiden, was ich beunruhigender finde: Seine besorgte Miene, dieses Schwanken, oder die erschreckende Tatsache, dass wir uns nun quasi auf Augenhöhe mit den ersten Baumwipfeln befinden, also kurz vorm Aufsetzen sind. „Shit – geht es das überhaupt, wenn man derart schaukelt?“ schießt es mir noch durch den Kopf, da ist es bereits passiert. Der Flieger setzt hart auf, springt noch einmal hoch und geht dann voll in die Eisen. Aber wir sind unten und zwar an einem Stück. Ich bin irre erleichtert, das ganze Flugzeug applaudiert frenetisch, Patrick und Baby knutschen auf der Tanzfläche und sogar ihr grimmiger Vater ringt sich ein Lächeln ab. Alles in bester Ordnung. Uff.
Draußen treffen uns große Regentropfen, die uns allerdings von einem verwirrend warmen Wind entgegen gepeitscht werden. Erwartet man irgendwie bei einem solchen Sauwetter nicht. Im Schnitt gibt es sieben Mal im Jahr in Kanada einen Hurrikan und es war wohl die gute Fiona, die 2022 im Garten unserer Sitznachbarin gewütet hat, wie das Internet zu berichten weiß. Wir kämpfen uns bis zum Parkhaus durch, in dem die Autovermietungen zu finden sind. Die Bäume biegen sich dramatisch, der Regen wird bis tief ins Parkhaus hinein getrieben. Auf uns wartet ein schnittiges Auto in metallic blau, das nach einem Erfinder der Elektrotechnik des 20. Jahrhunderts benannt ist. Wir haben zwar selbst ein Elektroauto, aber so etwas sind wir noch nie gefahren. Es beginnt schon damit, dass wir das Ding schlicht nicht auf kriegen. Wir halten zwar eine Chipkarte in den Händen und das übertrieben große Display im Inneren sagt, dass wir darauf drücken sollen. Doch wohin wir auch drücken, es geht nicht auf. Also zurück zur Vermietung: Wir müssen die Karte gleich neben der Fahrertür auf den Lack pressen. Klar – total logisch. Ich mache das mit meinem Autoschlüssel auch immer, bevor ich ins Auto gehe!? Dann sitzen wir eine gefühlte Ewigkeit im Parkhaus, während Christian durch die Menüs clickt. Der Bildschirm, halb so groß wie die Windschutzscheibe, ist auch die Steuerung des Autos. Armaturen gibt es keine mehr – sieht das Ding nur hübsch aus, oder kann es auch fahren? Irgendwann sind wir dann auf der Straße. Doch bei der Feuchtigkeit beschlagen die Scheiben natürlich und ich scrolle hektisch durch die Menüs, um die Lüftung zu finden. Ist das zu fassen?
Nachdem die Scheiben endlich frei sind, der Highway ist es auch, probiert Christian die legendäre Beschleunigung dieses Gefährts aus. Na gut, wenn es ihm Spaß macht. Er tritt das Gas durch und wir fahren nicht, wir fliegen nach vorn. Ich werde in den Sitz gepresst und fühle mich kurz wie im Flugzeug – aber wie in dieser kleinen Propellermaschine, in der ich hinterher von der Tüte Gebrauch machen musste. Die negativen Kräfte sind enorm, mir wird schwindelig. Christian geht sofort wieder vom Gas, ist selbst erschrocken über dieses Monster von einem Auto. Wozu braucht man so etwas, wenn man kein Rennfahrer ist? Begreife ich nicht. Nikola – nichts für ungut – aber das ist definitiv kein Auto für mich und ich bin heilfroh, wenn wir am Montag endlich wieder unser eigenes Auto fahren…
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Liebe Sonja (unbekannterweise), lieber Christian,
staunend höre ich heute in der Mittagspause, dass es nen Blog über die Reise, sogar über eure weiteren Abenteuer gibt und schon bin ich Fan! So wunderbar und kurzweilig, ich freue mich auf neue Geschichten! Natürlich wünsche ich euch ganz tolle, wunderwunderwundervolle Momente und herzberührende Erlebnisse; lasst es euch gut gehen und kommt gesund wieder!
Liebe Grüße, Katrin! (natürlich auch direkt abonniert…)