Anderstouren

Es brechen die Planken, es neigt sich der Mast!

Wir sind an der Südküste zwischen Adelaide und Melbourne unterwegs. Unser Ziel ist die Great Ocean Road, die berühmten Felstürme im Meer „Zwölf Apostel“ und schließlich die Überfahrt nach Tasmanien. Die Sonne scheint bei angenehmen 22 Grad. So muss das sein. Die enge und ziemlich holprige Straße wird von alten Eukalypten gesäumt, in deren Schatten hin und wieder Kängurus sitzen. Ansonsten ziehen die meiste Zeit Felder und kleine Ortschaften an unseren Fenstern vorbei, bis wir direkt am Meer entlang fahren und zum Coorong Nationalpark kommen. Dort biegen wir spontan in den „Scenic Drive“ ein und lassen uns von Salzseen, Lagunen und einer beeindruckenden Dünenlandschaft überraschen.

Am Ende des Parks weist uns dann ein Schild auf „The Granits“ hin. Keine Ahnung, was das ist. Also nichts wie hin. Wir folgen einer kleinen Straße bis zum Meer und zu einem phantastischen, weißen Strand, der sich bis zum Horizont hinzieht. In der Brandung liegen vier rundgeschliffene Felsen wie braune Murmeln. Aha. Das sind also „the Granits“. Sie leuchten so einladend in der Abendsonne, dass wir nicht widerstehen können und da die Gezeiten es erlauben, krempele ich meine Hosenbeine hoch, wate durch die Wellen und klettere auf einen der Felsen hinauf. Dort machen wir allerlei verrückte Fotos und haben einen riesigen Spaß mit den überdimensionalen Murmeln.

Die Aufnahmen sind auch wirklich toll geworden, denn die Sonne schickt ihre letzten Strahlen über eine pechschwarze Wolkenfront, die sich uns bedrohlich über das Meer nähert und für eine grandiose Stimmung sorgt. Wir haben nur leider übersehen, dass die dunklen Wolken bereits begonnen haben, ihre schwere Fracht auf das schäumende Meer hinab zu schicken. Ich sehe es erst, als bereits der halbe Strand hinter einer dichten Regenwand verschwunden ist, vom Horizont keine Spur. Hastig packen wir die Kameras in den Rucksack, als die ersten dicken Tropfen auf uns herunter prasseln. Und dann gibt es kein Halten mehr: Der Himmel öffnet seine Schleusen und es scheint, als würde er all den Regen, den er dem ausgedorrten Land in den letzten Wochen vorenthalten hat, auf einmal entladen. Wir laufen wie die Hasen und dennoch sind wir innerhalb von kürzester Zeit vollkommen durchnässt. Überall ist Wasser und es ist, als würden wir unter der Dusche stehen. Mir kleben die Haare im Gesicht und die nasse Hose am Hintern, als wir außer Atem das Auto erreichen.

Erstmal die Kameras in Sicherheit bringen und dann die Kabine schützen. Denn mit dem Regen ist ein heftiger Sturm aufgekommen, der das hochgeklappte Zelt der Kabine gefährlich flattern lässt. Eilig klappen wir es wieder ein und holen die drei Seitenteile hervor, die unser Zelt in einem solchen Fall schützen sollen. Es ist jedoch gar nicht so einfach, sie einzuziehen, wenn einem der Sturm den Regen ins Gesicht peitscht und die Zeltteile flattern wie die Segel auf einem sinkenden Schiff. Christian läuft das Wasser aus den Haaren, während er verzweifelt versucht, das Außenzelt zu befestigen. Ich klettere ins Innere der Kabine, um das Dach wieder aufzuklappen. Dabei fühle ich mich in der Tat wie in der Kajüte eines Bootes auf stürmischer See, denn die Wellen des Meeres branden wütend auf den Strand und der krasse Wind lässt das Auto schwanken.

Da höre ich Christian fluchen. Eines der Gummis, die das Außenzelt halten, ist gerissen. Es brechen die Planken, es neigt sich der Mast. Gleich gehen wir unter. Nun heißt es Ruhe bewahren, denn das Gummi fehlt genau an der Stelle, an der der Sturm in das Zelt peitscht und den Regen unbarmherzig in das Innere der Kabine drückt. Das ist jedoch leichter gesagt als getan. Wir müssen nun das Kunststück vollbringen, zwischen Millionen schwarzer Kiesel auf dem Parkplatz ein rundes schwarzes Plastikteil wieder zu finden, das die Gummis zusammenhält. Als uns das gelungen ist, müssen wir in diesem Inferno aus Wind und Regen ein Streichholz und eine Kerze entzünden, um die Gummis wieder zu versiegeln und dann muss ich das Ganze nur noch wieder zusammen nähen…

Man soll es nicht glauben: Aber irgendwann sitzen wir bei Kerzenschein in unserer schaukelnden Kajüte, der der Sturm nichts mehr anhaben kann. Die Heizung läuft, wir sind umringt von lauter völlig durchnässten, sandverklebten Kleidungsstücken, die wir überall in der Kabine aufgehängt haben und den Kameras, die auf dem Bett vor sich hintrocknen. Oh man. Wären wir doch nach Australien gefahren und nicht nach Island. Auf dem trockensten Kontinent der Welt wäre es bestimmt immer warm gewesen, die Sonne hätte geschienen und wir hätten die Heizung und das Außenzelt nicht gebraucht. Naja egal. Dafür gibt es heute Abend heißen Tee und Baileys!

Ein Kommentar

  1. Hey Ihr Zwei,
    schön zu lesen, dass es euch gut geht. Bei deinem Schreibstil fühlt man sich glatt auf die andere Seite der Erde versetzt.Seid lieb gegrüßt,
    Fabian

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

%d Bloggern gefällt das: