Anderstouren

Lake Powell – ein sterbender See

Wir stehen auf einer luftigen Anhöhe und blicken hinab in einen Canyon aus rotem Fels, zu dessen Füßen sich eine grüne Wiese erstreckt, auf der Büsche, ja sogar Bäume gedeihen. „Das ist der Lake Powell“, sage ich an Christian gewandt. Er zieht die Augenbrauen hoch. „Niemals. Du musst Dich irren.“ Doch auf der Karte sind all die Seitenarme blau eingezeichnet. Hier muss es einmal Wasser gegeben haben; von dem Grünstreifen dort unten weiß unsere Karte noch nichts. Klar, hier sah es ja auch einmal ganz anders aus.

In den 60iger Jahren erblickte der Lake Powell das Licht der Welt, in dem man den Colorado River auf einer Länge von 300 Kilometern aufstaute. Es dauerte dann weitere 17 Jahre, bis sich der gesamte See auf über 3000 Kilometern Küstenlänge mit Wasser gefüllt hatte. Strom- und Wasserversorgung sowie ein Freizeiteldorado für Wassersportler war geschaffen und erfreute sich großer Beliebtheit. Outfitterläden schossen wie Pilze aus dem Boden, Marinas entstanden, die alles lieferten, was die zahlreichen Erholungsurlauber so brauchten.

Seit 2001 sinkt der Wasserpegel jedoch kontinuierlich. Sämtliche Seitenarme des Sees fielen trocken, Strände, Häfen und Campingplätze, die „Lakefront“ oder „Lakeview“ versprachen, liegen nun weit vom Wasser entfernt. Heute gibt es nur noch einen einzigen Hafen, der seine Bootsrampe so weit verlängert hat, dass man überhaupt ein Boot zu Wasser lassen kann. Viele Kähne liegen längst auf dem Trockenen.

Wir halten bei einem der Outfitter für Wassersportler, um zu tanken und die Wasservorräte aufzufüllen. Der Laden hat geschlossen. Ein Schild an der Tür berichtet, dass sie im Frühjahr 2024 wieder öffnen werden. Doch diesen Termin haben sie wohl nicht eingehalten. Bei einer der früheren Marinas bekommen wir dann wenigstens Diesel und Wasser. Allerdings ist es das erste Mal, dass wir für Leistungswasser bezahlen müssen. Natürlich. Wasser ist hier draußen knapp. In dem Laden werden zudem schwimmende Handyhüllen, Wasserbälle und Taucherbrillen zum Sonderpreis angeboten. Ohne den See braucht man all das nicht mehr. Die Sticker, die den Lake Powell als strahlendes Badeparadies anpreisen, sind von der Hitze gewellt. Sie liegen sicher schon lange im Regal, ohne beachtet zu werden.

Wie hier sieht es an vielen Stellen aus. Straßen zu früheren Häfen und Ufern sind gesperrt, ganze Orte verlassen. Sinkt der Wasserspiegel unter 3490 ft, dann kann auch die Stromerzeugung nicht mehr aufrechterhalten werden; sinkt er noch weiter, dann ist kein Wasseraustausch mehr möglich – der See ist tot. Ganz ähnlich sieht es ein Stück weiter flussaufwärts aus. Dort wurde der Colorado River zum Lake Mead aufgestaut, der ganz Las Vegas mit Wasser und Strom versorgt und sich nun ebenfalls auf dem Rückzug befindet. Der Klimawandel und die damit einhergehende anhaltende Dürre zeigen sich hier ziemlich eindrücklich.

Auf der anderen Seite hat der gigantische Stausee auch vieles unter sich begraben, was nun wieder zutage kommt. Heilige Orte der Native Americans kommen wir zum Vorschein, die Pflanzenwelt erholt sich erstaunlich rasch und ich habe einmal die Gelegenheit, auf dem Grund eines Sees spazieren zu gehen…


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3 Kommentare

  1. Ja, ist irgendwie traurig mitanzusehen und gleichzeitig wird die natürliche Ordnung auch wieder hergestellt… Nur der Grund ist vielleicht nicht der Beste, wenn der Klimawandel zu schlägt…

    LG

  2. Oh wie krass, dass der See verschwindet.
    Ja, eure Bilder wecken Erinnerungen in mir wach:
    Auf dem Lake Powell sind wir damals Jetski gefahren! Da war es ein wirkliches Wassersport Paradies. Unglaublich wie sich das alles so schnell verändern kann.

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