Anderstouren

Mecca – Ausflug nach Kleinmexiko

Wir fahren durch eine irre trockene Wüstenlandschaft, die von kargen Felsen und Badlands geprägt wird. Die Durchschnittstermperatur beträgt 31 Grad (!) und es fallen weniger als 100mm Niederschlag pro Jahr. Die Salton Sea, ein salziger See und die einzige Wasserquelle weit und breit, ist auch nur durch einen blöden Zufall entstanden. Anfang des 20. Jahrhunderts brach ein Damm des Colorado River und entleerte 2 Jahre lang sein Wasser in das unter dem Meeresspiegel liegende Salton Becken. Daraus entstand dieser See, der zwar immer mehr versickert und versalzt, aber auch über 100 Jahre später noch an diesen „kleinen“ Unfall erinnert.

Und hier liegt mit knapp 9000 Einwohnern der Ort Mecca. Dass wir hindurch fahren, ist ebenfalls eher Zufall. Doch wir sind vollkommen überrascht, als wir uns quasi „in Mexico“ wieder finden. Denn in diesem Ort gibt es nur 5% weiße Amerikaner. Alle anderen Einwohner gehören der hispanischen ethnischen Minderheit an. Sämtliche Schilder sind auf Spanisch geschrieben. Über die Straße laufen braungebrannte Männer mit Sombrerohüten, die Frauen tragen bunte Kleider und plaudern auf Spanisch miteinander. Auf den Feldern werden Habaneros geernet, die Kartons mexikanisch chaotisch auf einen rostigen Laster verladen, der dann erst einmal die Straße blockiert. Die Architektur der Häuser, die Werbeaufschriften der Läden, die zum Teil ziemlich abenteuerlich anmuten – alles sieht so aus und fühlt sich auch so an, als wären wir gerade durch ein Wurmloch ins Nachbarland gefallen.

Natürlich müssen wir hier anhalten und einen „supermercado“ aufsuchen. Der Aufbau des Marktes und das Angebot ist ein vollkommen anderes als im restlichen Amerika. Mexikaner scheinen ihre Küche nämlich zu gebrauchen (in vielen Städten der USA werden Appartements gleich ohne Küche gebaut – es kocht ohnehin niemand selbst). Gleich im Eingangsbereich werden wir von Tortillas und scharfen Salsa Saucen erschlagen. Es gibt zudem eine erstauliche Auswahl an frischem Obst und Gemüse und eine ausgedehnte Fleisch- und Fischtheke, an der es neben Hühnerfüßen auch ganz hervorragende Steaks zu kaufen gibt. Hier bedient uns der Hausherr persönlich – seine Frau sitzt an der Kasse.

Die Eltern betreiben die angeschlossene Bäckerei, die wir uns selbstverständlich nicht entgehen lassen wollen. In Holzschränken finden sich fein säuberlich aufgereiht frische Backwaren aller Art. Hinter dem Tresen verkauft die Schwiegermutter, im Hintergrund knetet ihr Mann gerade den Teig und schneidet dann von einer großen Teigrolle Teilchen in appetitliche Stücke. Die Backwaren sind rosa, pink und gelb und sehr delikat gewürzt. Das ist noch echte Backkunst – etwas das man in den USA ziemlich selten findet, wie wir inzwischen wissen.

Die Dame strahlt mich an, fragt auf Spanisch, was ich denn möchte. Ich krame hastig in der hintersten Ecke meines Oberstübchens und bringe dann sogar eine halbwegs verständliche Bestellung auf Spanisch zu stande. Denn die Dame hinter der Kasse versteht tatsächlich kein Wort Englisch. Sie lebt zwar theoretisch in den USA, aber hier in Mecca fühlt es sich wahrhaftig nicht so an. Als ich ihr sage, dass ihr Gebäck „muy bien“ ist, strahlt sie über das ganze Gesicht. Ihre Freude und ihre Herzlichkeit sind echt. Auch das gibt es sonst eher selten in Amiland.

Wir lachen mit ihr und machen uns dann über die köstlichen Teilchen her. Dieser Ausflug nach Kleinmexiko war wunderbar erfrischend. Und eines steht wohl außer Frage: In Mecca leben ganz sicher nicht die „bösen Mexikaner“, die es mit einer Mauer auszusperren gilt. Und irgendwie werden wir das Gefühl nicht los, dass wir sie auch 100 Kilometer weiter südlich und jenseits der Grenze nicht finden würden…


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