In den Bergregionen der USA, insbesondere im Yellowstone, Grand Teton, Yosemite und Sequoia Nationalpark gibt es Bären. Aber auch in anderen bewaldeten Regionenen gibt es sie und mit ihnen die Warnschilder und endlose Verhaltensregeln. Doch wenn man mal einige dieser Schilder studiert hat, dann wird schnell klar, dass im Grunde niemand wirklich weiß, wie man sich im Fall einer Bärenbegegnung verhalten soll. Die einen raten, sich langsam und ohne den Bären aus den Augen zu lassen zurückzuziehen. Die nächsten warnen davor, dem Bären direkt in die Augen zu sehen – das würde ihn provozieren. Dann gibt es Empfehlungen, sich auf den Boden zu werfen und totzustellen. Die nächsten schlagen vor, Bärenspray anzuwenden, oder dem Bären auf die Nase zu hauen (kein Witz!). Und wieder andere sind der Ansicht, dass lautes Schreien und ein direkter Angriff die beste Verteidigung ist, während das nächste Schild den Wanderer zur Ruhe ruft, damit die Bären nicht auf ihn aufmerksam werden…
Wir unterhalten uns mit Fritz. Er ist fast achtzig und mit dem Motorrad unterwegs. Er ist gebürtiger Deutscher, lebt aber seit 70 Jahren in den Staaten. Sein Deutsch ist von einem ziemlich starken amerikanischen Akzent durchwirkt und zudem recht gebrochen. Trotzdem möchte er unbedingt deutsch mit uns sprechen. Also tun wir ihm den Gefallen. Bärenbegegnungen habe er schon viele habt, auch mit Grizzlys, besonders als er im Yukon unterwegs gewesen sei. Doch er habe sich immer groß gemacht, gebrüllt und damit alle Bären in die Flucht geschlagen. Tatsächlich sind wir auch einmal einem Schwarzbären begegnet, 2012 im Redwood Nationalpark. Wir können allerdings keine heroische Geschichte über einen glorreichen Gegenangriff erzählen, mit dem wir den Bären vertrieben und unser Leben gerettet haben. Denn um ehrlich zu sein, haben wir einfach nur wie erstarrt mitten im Wald gestanden und nichts gemacht. Der Bär hat uns angestarrt und wir den Bären und dann ist er einfach abgehauen.
Auch heute sind wir wieder in einem Wald voller Baumriesen unterwegs. Die Touristenmassen haben wir am General Sherman Tree zurückgelassen und folgen nun einem einsamen Pfad durch den wunderbaren Gigant Forest des Sequoia Nationalparks. Der Weg ist nicht markiert, ja, eigentlich handelt es sich nur um einen Trampelpfad, der jedoch uns an gigantischen Sequoias vorbeiführt. Mancher Stamm ist 10 Meter dick und ihr Blätterdach ragt 80 Meter hoch in den Himmel. Vogelstimmen schallen durch den Wald, sonst sind nur unsere Schritte auf dem Waldboden zu hören und das Knacken eines Astes, der hin und wieder unter unseren Wanderschuhen zerbricht. Trotzdem lauschen wir auf jedes Geräusch und fahren jedes Mal zusammen, wenn ein Ziesel über den Weg huscht und uns dann aus sicherer Entfernung vom nächsten Baumstumpf aus beobachtet. Glücklicherweise bleiben die witzigen Eichhörnchen die einzigen pelzigen Tiere, die uns auf dieser Wanderung auflauern.
Am Abend beziehen wir dann den Campground des Nationalparks. Natürlich ist auch unser Platz mit einem braunen „Bear lokker“ ausgestattet. Diese schweren Metallschränke mit dem komplizierten Schließmechanismus sind auf jedem Rast- und Parkplatz vertreten, damit der Müll für die Bären unzugänglich verstaut werden kann. Auf den Campingplätzen bekommt man dann eine genaue Verhaltensanweisung und eine lange Liste all jener Lebensmittel, die für die Tiere interessant riechen. Einfach alles von Zahnpasta über Spülmittel, Kaugummi, Obst, Brot, ja sogar Kindersitze sollen in den Schrank verfrachtet werden, um Übergriffe durch die Bären zu vermeiden. Wir glauben zwar nicht so ganz daran, dass hier wirklich Bären auftauchen – der Campingplatz gleicht eher einer Partymeile auf Mallorca – trotzdem räumen wir unsere ganzen Lebensmittel und Kultursachen brav in den Lokker, man weiß ja nie.
In der Nacht beginnt es zu regnen, dicke Tropfen fallen auf unser Dach. Doch da ist auch noch ein anderes Geräusch. Ich setze mich im Bett auf und lausche. Ein schweres Atmen ist von draußen zu hören, Schritte. Dann rappelt wahrhaftig etwas Großes an unserem Lokker. Das gibt es doch nicht. Versucht da wirklich ein Bär, an unsere Vorräte heranzukommen und sich einen Snack auf unsere Kosten zu genehmigen? Wir wissen es nicht. Am nächsten Morgen sieht alles genauso aus wie am Abend zuvor. Doch vielleicht hatten wir tatsächlich Besuch von Meister Petz und dann war es sicher nicht verkehrt, alles aus dem Auto zu räumen. Auf einen Mitternachtssnack mit Bären können wir nämlich gut und gerne verzichten…
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