Anderstouren

Plan B

Von Toyota haben wir leider nur erfahren, dass die Reparatur zwar angelaufen ist, aber noch länger dauert. Sie haben Luft in den Dieselleitungen gefunden und beseitigt, den Füllstandsanzeiger des Tanks repariert. Aber das ist es noch nicht. Der Wagen läuft leider immer noch nicht. Es scheint noch ein größeres Problem zu geben. Also weiter warten.

Mit fällt, zugegeben, ein wenig die Decke auf den Kopf. Ich möchte mehr tun, als alle 5 Minuten auf das Handy zu schauen und zu warten. Christian geht es ähnlich. Wir brauchen dringend einen Plan B. Also treffen wir die wahnwitzige Entscheidung, nach Halifax zu fahren. Einfach so, ins Blaue hinein. Wir räumen daraufhin das gesamte Ferienhaus aus, reinigen es und hängen den Schlüssel an den vereinbarten Platz… Und zwar einige Tage vor dem eigentlichen Abgabetermin.

Zunächst fahren wir in den Kejimkujik Nationalpark. Wir laufen einen Wanderpfad, um den Kopf ein wenig „frei zu laufen“. Er führt uns an einen wilden Sandstrand, dem raue Felsen vorgelagert sind, gegen die das Meer genauso aufgewühlt brandet wie wir uns fühlen. Auf dem Rückweg treffen wir zudem auf zwei Kragenhähnchen. Sie gehören zur Gattung der Waldhühner und sind so sehr in ihren Disput vertieft, dass sie uns und unsere Kameras nicht bemerken. Dabei geben die Kampfhähne fortwährend gurrende Laute von sich, halten sich scharf im Auge und hacken mit ihren kurzen Schnäbeln nach einander. Dann fliegt wieder einer von beiden kreischend in die Höhe und schlägt dabei wild mit den kurzen Flügeln. Sie sind ziemlich angepannt, diese Kerlchen. Wir können es ihnen nachfühlen; wir sind es auch.

Halifax ist 200km entfernt. Wieder auf dem Highway fragen wir uns natürlich, was wir hier überhaupt machen? Kriitischer Blick auf das Handy. Aber es gibt immer noch keine Nachricht von Toyota. Es könnte also gut sein, dass wir den langen Weg vollkommen umsonst fahren, heute Abend einfach alles wieder zurück und auch noch das Haus wieder einrichten müssen. Aber wir wollen einfach irgendetwas tun, in Bewegung bleiben. Plan B.

Halifax ist zur Rushhour ein einziger Stau. Im Rückstau der MacKay Bridge verliere ich fast die Nerven: Wir bewegen uns 10 Meter in 20 Minuten. Toyota macht zudem bald zu. Dabei sind wir nur knappe 2km entfernt. Also dreht Christian mitten auf der Kreuzung und ich lotse ihn wild durch den Feierabendverkehr der Großstadt, als eine Nachricht auf meinem Handy aufpoppt. Oh, mein Gott. Sie ist von Toyota. Das ist jawohl der ungünstigste Zeitpunkt, den man sich vorstellen könnte. Trotzdem erfasse ich die vier Großbuchstaben, aus denen die Nachricht hauptsächlich besteht, sofort: DONE!!! Ich schlage mir die Hand vor den Mund. Das Auto ist fertig, die Reparatur ist abgeschlossen! Wie lange haben wir auf genau diese Nachricht gewartet? Unzählige Male habe ich mir ausgemalt, wie wir uns freuen werden und jetzt ist einfach gar keine Zeit dafür. Ist das zu fassen?

Ich stehe entsprechend neben mir, als ich kurz darauf wie in Trance zum letzten Mal durch die Werkstatttür gehe, wahrhaftig die Rechnung bezahle und den Schlüssel zurück bekomme. Ich ziehe mir noch einen letzten Vanillekaffee, dann schwingt sich Christian auf den Fahrersitz, steckt den Schlüssel ins Schloss und das Auto springt endlich an. Ein sonores Brummen ist zu hören – ein herrliches Geräusch. Nun jubel ich doch! Irgendeine ECU-Verbindung musste reconnectet werden – wie auch immer. Allaq läuft und wie! Und dann passiert es: Er rollt vom Toyota Parkplatz, der Fluchtinstinkt siegt.

Halifax gibt natürlich alles, um uns nicht aus seinen Fängen zu lassen: Wir müssen dringend tanken, aber die Zapfsäulen sind außer Betrieb, jede Ampel ist rot und der Verkehr in der Innenstadt ist völlig irre; vor allem wenn man mit zwei Autos da durch manövriert. Aber wir müssen schließlich den Mietwagen noch loswerden, wieder alles von einem in das andere Auto umpacken. Doch irgendwann steige auch ich in unser Gefährt und wir fahren gemeinsam durch Halifax. Ich kann es nicht glauben, erlebe alles wie im Film. Das passiert jetzt nicht wirklich, oder? Wir sind auf gut Glück hierher gekommen und nun nehmen wir Allaq tatsächlich mit? Wie hoch waren die Chancen dafür?

Es wird dunkel. Das Café, in dem wir unser „Canadian Breakfast“ bestellt haben, zieht an uns vorbei. Es kommt mir unendlich lange her vor. Es sind ja auch Wochen. Ein letztes Mal fahren wir über die MacDonald Bridge, unter der Allaq vor über einem Monat hindurch gefahren ist. Aber egal. Die Brücke spuckt uns auf dem Highway aus, wir sind frei! Wir lassen Halifax hinter uns und unsere Reise kann endlich beginnen! Plan B ist damit voll und ganz aufgegangen!


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6 Kommentare

    1. Ja, wir können es auch kaum fassen, dass wir nun endlich mit unserem Allaq unterwegs sein können! War ein etwas holpriger Start, aber jetzt genießen wir es umso mehr 🙂
      Alles Liebe!

  1. Wow! Mega super! Freue mich total mit euch, dass eurer Allaq wieder fit ist und ihr eure Reise nun endlich beginnen könnt 😃

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