„No service“ warnt ein Schild am Beginn der staubigen Piste, der wir nun knapp 1000km folgen wollen. Das wissen wir. Wir sind voll getankt, haben die Vorräte aufgefüllt. Die Canyonlands bleiben hinter uns zurück und weichen einer Wüste, auf deren Weiten nur stachlige Büsche wachsen. Es ist heiß; 34 Grad zeigt das Thermometer. Allaq zieht eine lange Staubwolke hinter sich her, während die Reifen über die Piste rumpeln.
Nach 300 Kilometern erreichen wir eine kleine Outpost, hoffen hier noch einmal tanken zu können. Doch hier ist wahrhaftig der Hund begraben. Viele haben aufgegeben, den verlassenen Posten verlassen. Doch am Ortsausgang finden wir noch eine Tankstelle, die nicht verrostet und versandet ist. Christian füllt unseren Tank, während ich mich nach einem Shop umsehe. Und dann fällt mir erst auf, dass er direkt in eine Höhle im Fels gebaut ist. Verwundert drücke ich die Tür auf. Im Eingangsbereich, wo sonst Süßigkeiten, Schlüsselanhänger und Kaugummis auf Aufstellern stehen, sind ausschließlich Horrorkrimis aufgebaut, in denen Menschen möglichst qualvoll zu Tode gebracht werden. Das passt wahrscheinlich zu der düsteren Stimmung in diesem Nest. Einigermaßen irritiert gehe ich weiter. Die Regale sind ansonsten größten Teils leer. Einige verknitterte Packungen Chips und verstaubte Konservendosen halten die Stellung. Hinter dem Tresen pfläzt sich eine junge Frau auf einem Stuhl, lackiert ihre Nägel. Hierher verirren sich nicht viele Kunden. Ich kaufe noch einen Kanister mit Trinkwasser, erkundige mich nach dem weiteren Weg.
Denn nun werden wir in das Backcountry vordringen, das laut unserem Trackbook „extreme remote“, sehr einsam sein soll. Und das ist es. Am Wochenende gehen die Amis auf solchen Tracks zu hunderten ihrem Motorsport nach. Hier ist niemand. Allaq arbeitet sich über eine sandige Piste, in der es immer wieder felsige Einsprengungen gibt, die böse Stufen, oder Steilabfahrten für uns bereithalten. Doch sind sie allesamt zu meistern. Zudem sind die Canyons zurück. Sie zwingen uns zwar zu so einigen Kurven und Umfahrungen, bieten uns aber immer wieder unglaubliche Ausblicke: Christian meint den Vater alle Goblins gefunden zu haben, der mit buschigen Augenbrauen, großer Nase und langem Bart grimmig im Felsen hockt. Eine Gruppe von Soldaten steht abmarschbereit auf der Mauer, auch einen Totempfahl und ein überdimensionales Schlüsselloch im Fels gibt es hier. Als wir dann an großen Fenstern vorbeifahren, die attraktiv in eine steile von Säulen gezierte Felswand geschlagen wurden, sind wir uns einig: Die Gebilde sind viel filigraner, interessanter und vielfältiger als im berühmten Monument Valley. Diese Gegend ist nur schrecklich schwer zu erreichen, ihre Gebilde gänzlich unbekannt, ja namenlos.
Am Abend schlagen wir unser Lager an einem kleinen Canyon auf, auch namenlos. Sein Felsplateau pflastert unsere Außendusche komfortabel mit Natursteinen. Auch ein Lagerfeuer lässt sich hier bestens entzünden. So sitzen wir nach einem langen und heißen Tag am Feuer und sehen zu, wie die Abendsonne die Kunstwerke aus Fels ein letztes Mal für uns aufleuchten lässt. Dann räumt sie den Himmel für den Mond, der das Firmament mit Macht erobert. Das Mondlicht ist dabei so hell, dass wir keine Lampe benötigen und einen kräftigen Schatten werfen. Der Canyon um uns herum wird in ein silbriges Licht getaucht und wirkt unwirklich, als hätte jemand ein riesiges dreidimensionales Bild aufgestellt. Es ist still. Kein menschliches Geräusch ist zu hören. Wir beginnen zu flüstern, da uns schon das Knacken des Feuers und das Rascheln unserer Kleidung schrecklich laut vorkommt. Ein Tier schreit dort unten im Canyon. Wir gehen schlafen. In den nächsten Tagen liegen weitere 500 Kilometer Einsamkeit vor uns und das fühlt sich gut, sehr gut an!
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