Anderstouren

Von Bettlern und Königen

Der Ayers Rock, oder Uluru, wie der magische, rote Fels heute genannt wird, liegt 2000 Kilometer im Landesinneren und von jeder größeren Stadt entfernt. Selbst nach Alice Springs sind es 600 Kilometer und damit ist es eindeutig zu weit, um Sonnenuntergang und -aufgang am Uluru zu erleben und zwischendurch mal eben nach Alice zurück zu fahren, um dort zu übernachten. Australiens Sehenswürdigkeit Nr. 1 liegt also richtig weit „ab vom Schuss“. Wo soll man also mit den ganzen Touristen hin, die extra bis ins rote Zentrum fahren, um den berühmten Berg einmal mit eigenen Augen zu sehen? Die Antwort darauf ist Yulara.

Yulara wurde in den 70iger Jahren eigens erbaut, um mit den steigenden Besucherzahlen am Uluru fertig zu werden. 5000 Menschen kann der kleine Ort beherbergen. Das ist an sich noch nichts Ungewöhnliches, das schafft manches Hotel in Vegas auch und das liegt bekanntlich ebenfalls mitten in der Wüste. Das Verrückte, oder auch ziemlich Dumme ist, dass das Northern Territory sich irgendwann dafür entschied, die Stadt für 220 Millionen an die Firma „Voyages“ zu verkaufen. Ich muss es noch einmal wiederholen, weil man es sonst nicht glauben kann: Die Regierung hat eine komplette Stadt verkauft, die sich nun in Privatbesitz befindet. Dabei handelt es sich nicht um irgendeinen Ort im Nirgendwo, von denen es in Australien ja nun jede Menge gibt. Nein, es handelt sich um die Ortschaft direkt an Australiens Topsehenswürdigkeit. Das ist so, als würde man den Geysir in Island samt Hotel und Souvenirshop kaufen, den Grand Canyon und den Mather Campground preisgünstig erwerben, oder Neuschwanstein ersteigern.

Die Herren von Yoyages reiben sich seither die Hände. Sie haben hier draußen eine Monopolstellung und können schalten und walten wie die Könige. Ihnen gehört nicht nur jedes Hotel im Ort, sondern auch der Campingplatz, die Tankstelle und der Supermarkt, eine Goldgrube. Das erinnert mich ein wenig an die Gebahren der Mienenbesitzer, die ihre Arbeiter mit einer Mieneneigenen Währung bezahlten, die lediglich in dem zur Miene gehörenden Laden gültig war. Das hart verdiente Geld der Arbeiter floss auf diesem Weg also gleich wieder in die Hände ihres Chefs zurück.

Der Besucher wird in Yulara auf jeden Fall ähnlich ausgebeutet wie die Mienenarbeiter des 19. Jahrhunderts. Die Preise an der Tankstelle und im Supermarkt sind mit denen eines Roadhouses vergleichbar. Allerdings liegen die Roadhouses stets völlig im Nichts und sind nicht über eine fette Teerstraße erreichbar, über die täglich Tanklaster und Warenlieferungen rollen. Deswegen ist es eine bodenlose Frechheit, dass die Preise im Supermarkt dreimal so hoch sind wie sonst. Dabei sind nicht nur typische Touristenartikel wie Wienerwürstchen, Sprudelwasser für 4 Dollar, Feta und Mini-Tomaten (10 Dollar!) betroffen, sondern auch stinknormale Grundnahrungsmittel wie Zwiebeln, Wasser und Brot. Aber das zahlt der Tourist natürlich brav, wenn er denn einmal im Leben zum Ayers Rock kommt, der nebenbei erwähnt, wirklich beeindruckend und absolut sehenswert ist.

Wir sind hingegen zum zweiten Mal hier und nicht wegen des berühmten Berges nach Yulara gekommen. Der Ort liegt einfach nur am Ende unserer Rundtour durch das rote Herz und nach vier Tagen auf einsamen Tracks sind leider auch wir gezwungen hier einzukaufen und den Herrschern von Yulara Geld in den Rachen zu werfen. Unser Tipp: Wenn ihr zum Uluru fahrt, deckt Euch vorher mit Lebensmitteln und Getränken ein. In Curtin Springs, 70km vor den Toren des Königreichs gibt es zudem ein nettes, privat geführtes Roadhouse mit günstigerem Sprit und einem kostenlosen Campingplatz.

Wir lassen die Touristenfalle also so schnell wie möglich hinter uns und fahren gen Osten. Durch die Überschwemmung und den Zyklon waren wir so oft gezwungen, die Reiseroute abzuändern, dass wir jetzt zwei Wochen vor dem Zeitplan liegen. Also können wir uns einen kleinen Schlenker zurück zur Simpson Desert und zum Lake Eyre durchaus leisten.

Auf dem Weg dorthin sehen wir einen Wagen am Rand der Schotterpiste stehen. Eine Aboriginefamilie scheint liegen geblieben zu sein. Im Straßengraben brennt ein Lagerfeuer, zwei alte Frauen sitzen gleich daneben, die beiden Kinder spielen mit Stöckchen im Staub. Der einzige Mann sitzt untätig und etwas ratlos auf dem Beifahrersitz, während zwei junge Frauen uns ein Zeichen geben. Ich zähle sieben Personen und frage mich, wie die alle in den PKW passen sollen. Wir werden langsamer und halten neben den Frauen an. Wahrscheinlich sind sie die einzigen, die Englisch sprechen und ihr Englisch ist wahrlich verständlicher als das der meistens Aussies.

„Seid ihr stecken geblieben?“ frage ich. Sarah schüttelt den Kopf. Sie seien eigentlich auf dem Weg nach Kulgera gewesen, aber jetzt haben sie sich trocken gefahren. Ich bin kurz irritiert. Diese Familie lebt doch sicher hier in einer der Aborigine Gemeinden. Das heißt, sie fahren den Weg nach Kulgera ständig. Sollten sie dann nicht wissen, wie viel Benzin man dafür braucht und was sie noch im Tank haben? Doch das ist wahrscheinlich eine Europäische Herangehensweise. Man kann schließlich auch einfach schauen, ob der Sprit noch reicht und sonst macht man halt ein Lagerfeuer und wartet.

Wir hätten ihnen auch sofort mit Benzin ausgeholfen, aber wir haben nun einmal nur Diesel an Bord. Also bittet mich Sarah, ihre Bekannten über ihre Panne zu informieren. Sie stünden mit drei Autos nur ein paar Kilometer entfernt auf der Straße. Sie seien dort auf Kängurujagd gewesen und würden das „Roo“ nun am Straßenrand kochen. Wir könnten sie gar nicht verfehlen. Wieder bin ich einigermaßen verwundert. Zum einen haben wir seit über einer Woche kein Roo, wie die Aussies ihr Wappentier kurz nennen, mehr gesehen und zum anderen finde ich es schon etwas merkwürdig, dass man eine Grillparty mit Kängurufleisch einfach im Straßengraben abhält. Trotzdem versprechen wir Sarah natürlich, ihren Leuten Bescheid zu geben.

Wir fahren die Straße noch weitere 50 Kilometer, begegnen aber niemandem, außer drei Kängurupaaren, die eilig vor uns über die Straße wetzen. Schon erstaunlich. Die Aborigines wissen eben ganz genau, wo die Tiere zu finden sind und sicher haben sie ein paar saftige Stücke auf dem Grill; es fragt sich nur, wo.. Es tut uns leid, dass wir letztlich gar nichts für Sarah und ihre Familie tun konnten. Aber wenigstens haben wir sofort angehalten und unsere Hilfe angeboten. Denn kurz bevor wir auf sie trafen, kam uns ein weißer Aussie in rasantem Tempo entgegen, der eine lange Staubwolke hinter sich herzog. Ganz offensichtlich ein Einheimischer. Doch er scheint für die Aborigines noch nicht einmal den Fuß vom Gas genommen zu haben. In seinen Augen sind sie ohnehin nur lästige Bettler…

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