Anderstouren

Wunderschönes Nichts

Von Tibooburra hatte ich noch nie gehört. Aber wer hat das schon außer den 150 Leutchen, die dort leben? Für mich klingt der Ortsname ein wenig wie Timbuktu, das aber bekanntlich in Afrika zu finden ist, doch genauso abgelegen sein soll. Tibooburra ist nämlich der letzte Außenposten vor dem Outback in New South Wales. Der kleine Ort besteht aus einigen staubigen Häusern, einem familiengeführten Hotel und dem archaischen Country Corner Shop, der immer noch genauso aussieht, als würden Pferdewagen vor der Tür halten und verschwitzte Arbeiter der Silbermiene hier ihr Bier trinken. „I like your clothesline!“ ruft mir einer der letzten Vertreter dieser Personengruppe und einziger Gast an den einfachen Tischen zu. Ich brauche einen Moment, bis ich verstehe, was er meint. Immerhin erfolgte diese Ansprache wieder einmal ohne jeglichen inhaltlichen Bezug, ohne irgendeine sinnvolle Einleitung und der verwaschene Unterton macht es auch nicht besser. Ah, er mag unsere Wäscheleine, die Christian aus zwei Sandbordhaltern selbstgebaut hat. Schön, ich mag sie auch.

Wir füllen unseren Tank noch einmal auf und erkundigen uns nach den Straßen, die wir zu befahren gedenken. Dann verlassen wir die kleine Stadt und ein leichtes Gefühl von Wehmut schleicht sich bei uns ein. Es ist nicht nur der Flair längst vergangener Zeiten, der durch die Straßen von Tibooburra weht, für uns markiert das staubige Städtchen auch den nordöstlichsten Punkt unserer Reise. Ab jetzt geht es (mit einigen Schlenkern) wieder nach Westen zurück und damit fühlt es sich ein wenig nach Rückfahrt, oder zumindest nach „Bergfest“ an. Zeitlich kommt das nicht ganz hin, aber die Hälfte der geplanten Kilometer haben wir jetzt ganz sicher auf dem Zähler.

Wenig später biegen wir in den Sturt Nationalpark ein. Wieder einmal sind wir erschlagen von der Schönheit der Australischen Nationalparks. Dabei beschützt dieser hier eigentlich nichts Außergewöhnliches: Über weite Strecken fahren wir einfach nur durch Nichts, zugegeben wunderschönes Nichts. Wir rollen über weite Flächen, auf denen nicht ein Baum, nicht ein Strauch zu finden ist. Lediglich etwas trockenes Gras kann hier draußen überleben. Trotzdem haben diese kargen Ebenen ihren eigenen herben Charme. Eine unendliche Weite tut sich vor uns auf und wir können ungehindert bis zum Horizont blicken. Dadurch bekommen wir zumindest eine Ahnung von den unfassbaren Dimensionen dieses Landes. Dann erhebt sich eine Hügelkette unvermittelt aus dem flachen Land, deren Flanken in der Abendsonne rot zu leuchten beginnen. Büsche und Eukalpten markieren den Lauf des ausgetrockneten Flussbettes, das sich als sogenannte „Creek“ wie ein grüner Gürtel durch die trockene Ebene zieht. Hier begegnen uns immer wieder großen Kängurus in Gruppen von 4-5 Tieren. Es ist das „Red Kangaroo“, das in unseren Augen jedoch eher grau aussieht. Die Tier wirken müde und sind lange nicht so proper wie ihre Kollegen in Tasmanien. Es ist einfach zu trocken.

Die Nacht verbringen wir auf einem einfachen Busch-Campground. Natürlich ist hier draußen niemand außer uns. Selbst die Fliegen verschwinden, als die Sonne geht und der zunehmende Mond taucht den Platz in ein wundersames, bleiches Licht. Die Mückenkerze brennt, wir essen Tasmanischen Lachs und Gurkensalat und stoßen mit Whiskey an. Über uns wölbt sich bald ein atemberaubender Sternenhimmel und wir lauschen der perfekten Stille in diesem faszinierenden Nichts.

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