Anderstouren

„You don’t wanna get bogged out there!“

Die Aussies sind so verrückt. Im Umkreis von 100km um Perth gibt es gleich mehrere ausgewiesene Offroad-Strände, die zum Teil sogar im Nationalparkgebiet liegen. Doch für Australier schließen sich unberührte Natur und Jeepfahren nicht aus. Ganz im Gegenteil. Einen solchen Strand wollen wir natürlich ansteuern.

Auf dem Weg dorthin erschrecken wir eine junge Frau zu Tode, die von ihrer Beifahrerseite zu uns hinüber schaut und sieht, wie die vermeintliche Fahrerin mit der einen Hand ihren Kaffeebecher umklammert und mit der anderen im Fußraum kramt, anstatt das Lenkrand festzuhalten. Dann wird der jungen Frau erst klar, dass sie es mit einem Linkslenker zu tun hat. Das kommt in Australien wohl nicht oft vor. Überhaupt ernten wir überwiegend überraschte bis ungläubige Blicke, wenn wir berichten, dass wir unser Auto aus Europa verschifft haben. Auch das scheint es nicht allzu oft zu geben. Ist ja auch fucking crazy, wie der Aussie sagen würde.

Am Whitehills Beach angekommen, lassen wir erst einmal die Luft aus den Reifen und gehen von 50psi auf 30psi runter. Sollten wir uns Sorgen machen, weil gleich zu Beginn der Strecke das Schild eines Bergungsunternehmens mit Telefonnummer steht? Hm. Schauen wir mal. Doch einmal im Sand bleibt keine Zeit nachzudenken. Jetzt kann Christian nur noch Gas geben und das Lenkrad festhalten. Der Sand ist heiß und dadurch unheimlich weich. Einige Male bricht das Fahrzeug nach rechts aus, wo die Wellen auf den Strand branden. Eigentlich ist es wunderschön, direkt am Meer entlang zu fahren, doch ich bin gerade etwas abgelenkt von der nächsten Tiefsandpassage, die das Auto ins Schlingern bringt. Dann stehen wir und steigen mit klopfendem Herzen aus. Puh. Nicht ganz einfach hierher zu kommen, aber dafür liegt jetzt auch ein Traumstand vor uns, den wir ganz für uns alleine haben. Voller Begeisterung bauen wir unser Lager auf und können es kaum fassen, dass an diesem Kilometerlangen Sandstrand niemand ist außer uns und ein paar Möven, die darauf hoffen, dass ihnen die schäumenden Wellen einen Leckerbissen bringen.

Am nächsten Tag fahren wir dann in den Norden von Perth und folgen Ronny Dahls Hinweis, der den Wilbinga Offroad-Strand als Geheimtipp anpreist. Er erwähnt noch, dass man die Luft aus den Reifen lassen und besser dort nicht stecken bleiben sollte. „You don’t wanna get bogged out there!“ Natürlich ist uns klar, dass Sandpassagen immer gefährlich werden können, doch am Anfang dieses Tracks finden wir schon mal keine Telefonnummer einer Firma, die uns retten möchte. Also wird das Ganze wohl nicht so schlimm werden. Die 10km Anfahrt sind ungemütlich, aber machbar. Zwei Reifenspuren ziehen sich quer durch den Busch, felsige Passagen wechseln mit Schräglagen, die unseren Krängungsmesser jedoch noch nicht allzu sehr aus der Ruhe bringen. Zum Teil ist der Track so schmal, dass dornige Büsche ihren Gruß im Lack hinterlassen und kleine Bäume über unser Dach kratzen.

Dann haben wir es geschafft: Das Meer ist in Sicht. Zumindest denken wir das. Doch im nächsten Moment befinden wir uns mitten in einem Alptraum aus tiefem, weichen Sand. Der Track windet sich unüberschaubar die Dünen empor und Christian muss auf dem Gas bleiben, sonst bleiben wir stecken. So viel steht fest. Die ersten beiden Dünenkämme bewältigen wir noch. Doch als sich dahinter der dritte auftut, haben wir zu wenig Schwung übrig, um diese Kuppe auch noch zu erreichen. Also bleiben wir am steilen Hang und mitten im tiefen Sand hängen. Shit. Wir checken die Lage und als Christian vorsichtig zurückrollt, rutschen wir im weichen Sand auch noch seitlich weg, sodass wir gefährlich in Schieflage geraten. Das ist nicht witzig! Christian behält glücklicherweise die Nerven, setzt weiter zurück und es gelingt ihm schließlich in einen anderen Track einzubiegen, der uns hinunter zum Strand führt und erstmal außer Gefahr bringt. Trotzdem sind wir immer noch im Tiefsand unterwegs und wie in aller Welt sollen wir die Dünen jetzt wieder hinauf kommen? Ich seh´ uns schon die nächsten drei Monate an diesem Strand verbringen und wie die Schiffsbrüchigen in zerlumpten Klamotten von rohem Fisch leben.

Doch es gibt noch eine Chance diesem Schicksal zu entkommen: Die Karte auf unserem Offroad-Navi verrät, dass es noch eine Auffahrt auf die Dünen gibt, die sich hinter der nächsten Wegbiegung verbirgt. Voll banger Vorahnung kämpfen wir uns durch den tiefen Sand der Auffahrt entgegen und zu unserer Rechten schlagen die Wellen genauso aufgeregt auf den Strand, wie das Herz in meiner Brust. Oh verdammt. Unsere einzige Fluchtmöglichkeit sind zwei kaum zu erkennende Reifenspuren im tiefen Sand einer steilen Düne. Da sollen wir hinaufkommmen? Ungläubig betrachten wir das Hindernis. Mit viel Schwung geht es vielleicht, doch wie sollen wir in dem Tiefsand hier unten Schwung holen? Okay, Reifendruck noch weiter runter auf 20psi, zum ohnehin gesperrten Mittendifferential sperren wir auch noch die Hinterachse. Dann geht es los. Christian setzt zurück und ich halte die Luft an. Dann gibt er Gas und brettert auf die Düne zu. Sand spritzt zu allen Seiten, der Motor heult. Für einen Moment drehen die Räder durch und schleudern Sand durch das offene Fenster. Dann greifen sie wieder und ziehen uns die steile Rinne hinauf, die uns nun auch noch eine fiese Schräglage kredenzt. Ich schließe die Augen und kann es am Ende gar nicht fassen, als wir unbeschadet oben auf dem Dünenkamm stehen.

Nachdem der Adrenalinspiegel etwas gesunken ist, bemerken wir auch, wie schön es hier eigentlich ist. Von hier oben haben wir einen traumhaften Blick über das aufgewühlte Meer und wir beschließen spontan die Nacht hier zu verbringen. Ronny Dahl hatte Recht: Der Wilbinga Beach ist ein Geheimtipp. Trotzdem würden mich keine zehn Pferde dazu bewegen, noch einmal in diese Tiefsandhölle zu fahren.

Ein Kommentar

  1. Na das klingt mal wieder unverwechselbar nach euch 🙂 schön zu lesen, dass es euch gut geht und alle eure Pläne aufgegangen sind! Macht euch eine ganz tolle Zeit! Ich stecke leider nicht im Sand, sondern im icd10… Langweilig 😀
    Bis bald! Liebe Grüße von Sarah!

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