Grüne Wälder und Wiesen ziehen vor dem Beifahrerfenster vorbei, eingerahmt von einer sanften Hügelkette. Ich schüttele ungläubig den Kopf. Ich möchte wirklich gerne glauben, dass das da Texas ist, doch so sehr ich mich auch bemühe, die Landschaft sieht für mich aus wie das Mannheimer Umland. Und als uns dann auch noch ein äußerst freundliches Schild auf deutsch willkommen heißt, glaube ich endgültig meinen Augen nicht zu trauen. Christian hatte mir heute Morgen beim Aufbruch einen ernsten Blick zu geworfen und gesagt, dass es nun bald nach Hause gehe. Aber so rasch??
Doch in Fredricksburg weht überall die deutsche Flagge (wahrscheinlich öfter als in ganz Deutschland). Ein Schild weist auf den Markplatz und die Vereinskirche hin. Wir fahren am Gasthaus Schmidt, dem Restaurant Lindenbaum und am Biergarten vorbei. Fischer und Wieser sind für ihre Marmeladen bekannt und natürlich gibt es auch einen deutschen Bäcker. Schräg gegenüber gibt es Lederhosen und Dirndl zu kaufen. Klar, in Fredricksburg feiert man schließlich Oktoberfest mit Maßkrügen, Sauerkraut und allem drum und dran. Ich kann es nicht glauben. In einem Schaufenster wird explizit darauf hingewiesen, dass man auch Englisch spreche, denn ansonsten sprechen die Leute hier deutsch, Texasdeutsch. Wie ist das möglich?
1845 erwarb Prinz Carl zu Solms-Braunfels Land in Texas, um deutschen Siedlern die Einwanderung zu ermöglichen. Die Leute folgten seinem Ruf und sein Nachfolger Freiherr von Meusebach gründete daraufhin Fredricksburg. Dort geben heute noch 50% der Bevölkerung an, deutsche Wurzeln zu haben, mehrgeschossige Fachwerkhäuser zieren die Landschaft, Weingüter und Brauereien. Die deutschen Traditionen, Volksfeste und Karneval werden weiterhin gepflegt, gehören zur Idendität dieser Volksgruppe. Denn die Einwanderer des 19. Jahrhunderts blieben lange Zeit unter sich und weigerten sich die englische Sprache zu erlernen. So blieb das Deutsch von 1845 im Texasdeutsch erhalten und ist bis heute eine eigene Sprache. Tatsächlich ist es für uns recht gut zu verstehen. Nur die Betonung ist ein wenig ungewöhnlich und es gibt ein paar seltsame Worte: Flugzeug heißt beispielsweise Luftschiff.
Natürlich statten wir dem deutschen Bäcker einen Besuch ab. Über dem Holzregal, in dem die Brote wie in früheren Zeiten aufgereiht liegen, hängen alte Bilder von Berlin, vom Brandenburger Tor. Es gibt Christstollen und Roseninenstuten zu kaufen. Natürlich. Es geht auf Weihnachten zu. Die Weihnachtsdeko in der Hauptstraße ist kaum zu übersehen, genauso wie die neun Meter hohe Weihnachtspyramide auf dem Marktplatz, wo bald der Weihnachtsmarkt stattfindet. Der Anblick all der deutschen Straßennamen, Namen und Ladenlokale ist ein wenig befremdlich und doch erschreckend vertraut. Tja, wenn man es nicht besser wüßte, könnte man tatsächlich glauben, in Mannheim gelandet zu sein… Nur die Damen mit Cowboyhut und -stiefeln erinnern daran, dass wir doch in Texas sind 🙂
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