Anderstouren

Die Südroute – Texas – „die grüne Ecke“

Frösche quaken um die Wette und lassen ein irres Konzert hören. Eine alte Eule ruft sie ab und an mit einem durchdringenden Schrei zur Ordnung; eine andere antwortet aus weiter Ferne. Die Wurzeln der Baumriesen stehen im Wasser und spiegeln sich dort majestätisch. Sie sind weit aufgefächert, um in dem nassen Untergrund Halt zu finden. Schlingpflanzen hängen von den Ästen auf uns herab und Schilf wächst an den Ufern der weitverzeigten Flussläufe. Ein Hirsch lässt ein tiefes Röhren hören. Das soll Texas sein?

Ich bin noch nie in Texas gewesen, aber – ich weiß nicht, ob es anderen auch so geht – ich hatte eine klare Vorstellung davon: Staubige, endlose und flache Weiten, auf denen die Rinder in der Hitze grasen, während sich Windräder müde drehen und die Ölpumpen ihre schwere Köpfe wieder und wieder auf die Erde hinabsenken. So ist es tatsächlich auch. Nachdem wir New Mexico verlassen haben, fahren wir hunderte Kilometer auf einer schnurgerade Straße, an der sich eine Raffinerie an die nächste reiht. Die Gasschlote brennen unentwegt und überziehen die ganze Landschaft mit einem grauen Dunst. Die Luft ist erfüllt von Staub, Qualm und Gestank. Trucks donnern an uns vorbei, befördern schweres Gerät. Die wenigen Ansiedlungen sind voller Müll, viele Gebäude zerfallen. Es ist so hässlich, dass es schon wieder faszinierend ist.

Kaum bewegen wir uns jedoch nach Osten wird Texas erstaunlich rasch grün und hügelig. Eigentlich sehr schön und erholsam für das Augen nach all der Trockenheit und Dürre. Wir würden gerne bleiben und irgendwo die Nacht verbringen. Doch I-Overlander zeigt in dieser Gegend nur weiße Flecken. Denn hier scheint alles im Besitz privater Ranchen zu sein. So fahren wir stundenlang an nicht enden wollenden Zäunen entlang und hier gibt es sie natürlich auch: Die Rinderherden. Am Ende schlafen wir auf einer Ranch. Es ist niemand da – die Besitzerin hat uns am Telefon gesagt, wir sollen uns einfach hinstellen. Also werfen wir 20 Dollar in den Briefkasten und haben eine Ranch in Texas eine Nacht ganz für uns. Das Zirpen der Grillen ist an diesem warmen Abend unfassbar laut. Der Vollmond geht mit einem rötlichen Schimmer am Horizont auf, fremde Vogelstimmen schallen durch die Nacht und zum ersten Mal seit vielen Wochen laufen wir wieder über Gras und sitzen unter einem Baum. Irre.

Keine Frage: Wir werden langsam ausgewildert und wieder an das grüne Land gewöhnt, aus dem wir eigentlich stammen. Denn am nächsten Tag bin ich fest davon überzeugt, durch Deutschland zu fahren. Wir sind, wie schon beschrieben, in der Mannheimer Ecke, dann bei Marburg und am Ende kommen wir irgendwo in Kiel an. Denn im Übergang zum Bundesstaat Lousiana wird die Landschaft von zahlreichen Wasserläufen durchzogen, es gibt einen großen Hafen und unfassbar viel Grün. Doch natürlich ist es nicht die Ostsee, sondern der Golf von Mexiko. Komorane hocken auf Holzpflöcken und lassen ihre Flügen im Wind trocknen, Fischreiher staksen mit ihren langen Beinen durch das Wasser. Dann muss Christian einen irren Schlenker fahren, um das Krokodil herum, das gerade aus dem Schilf auf die Straße kriecht. Wie bitte? Hier gibt es Alligatoren? Nicht zu fassen. Das habe ich irgendwie nicht erwartet.

Und was wäre ein Besuch in Texas ohne einen Hurricane? Texas ist der Bundesstaat mit den meisten Wirbelstürmen des Landes. In dieser Saison waren es bereits 17 Stürme, von denen sich 11 zu einem echten Hurricane entwickelten. Auch für heute ist Unwetter angesagt und uns ist ziemlich mulmig zu Mute. Schon den ganzen Tag ziehen dunkle Wolken über den Himmel und am Supermarkt haben wir den Regenguss unseres Lebens abbekommen. Innerhalb von 2 Minuten waren wir nass bis auf die Haut, obwohl wir gerannt sind wie die Hasen. Zudem ist es wahnsinnig heiß und schwül; eher tropisch, sodass einem bei der kleinsten Bewegung der Schweiß ausbricht.

Am Abend wird es dann auch wirklich ziemlich stürmisch – der Golf von Mexiko ist aufgewühlt und seine Wellen branden wütend auf den Strand. Trotzdem machen wir ein Foto, denn wir haben den südlichsten Punkt der Reise erreicht. Dann flüchten wir regelrecht in die Kabine, denn ein ordentliches Gewitter zieht auf und wir müssen erstmal ungefähr 100 Mücken totschlagen, die mit uns durch die Tür gekommen sind. Einen Hurricane erleben wir glücklicherweise nicht; bekommen aber eine recht gute Vorstellung von den Naturgewalten, die hier unten am Werk sein können. Nicht umsonst stehen sämtliche Häuser auf Stelzen. Es gibt einfach überall Wasser und manchmal eben auch zu viel…


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