Anderstouren

Advent, Advent, ein Lichtlein brennt!

Dritter Tag im Südwesten: Es ist der erste Advent. Die Supermärkte sind inzwischen vollgestopft mit allerlei sündhaft teurem Kitsch, der als Weihnachtsschmuck dienen soll. Ein Plastikschild, das den Weg zur Rentierwerkstatt des Weihnachtsmannes am Nordpol weist, kostet schlappe 400 Dollar!! Du liebe Güte. Kauft man die Rentiere und den Weihnachtsmann dann gleich mit? Außerdem sind die Steaks in der Fleischtheke mit Engelshaar geschmückt, es gibt blinkende Emus und aufblasbare Kängurus in Lebensgröße, Echidnas und Koalas mit Weihnachtsmützen, Marschmallow Weihnachtsmänner und eine harmlos aussehende Dose, aus der Tonnen Kunstschnee quellen, wenn man so dumm ist, sie ins Wasser zu legen. Mit diesem Kitsch würde man bei jedem „Schrott-Wichteln“ den Vogel abschießen.

Wir mögen es wohl etwas schlichter. Aber am Morgen des ersten Advents basteln wir immerhin aus einem Eukalyptuszweig und vier Kerzen einen provisorischen, aber sehr Australischen Adventskranz. Feierlich entzünden wir eine der Kerzen und Christian schmettert sogar noch ein Weihnachtslied. Trotzdem will bei 30 Grad nicht so richtig Weihnachtsstimmung aufkommen. Draußen blühen die Büsche, die Bienen schwirren durch die Luft und die Vögel zwitschern… Da hilft auch der ganze Plastikkitsch nichts – das ist kein Weihnachten, oder?

Wir fahren durch den Bornarup Forest im Cape Leeuwin Naturaliste Nationalpark. Auch hier gibt es einen Buschcampingplatz mitten im Wald, der nur über einen erstaunlich winzigen Track zu erreichen ist. Ohne Offroad-Navigation wären wir unter Garantie an der völlig zugewachsenen Einfahrt vorbeigefahren und der Weg ist nicht mehr als ein Trampelpfad. Ja, der Track ist so schmal, dass Allaq kaum hindurch passt. Immer wieder schleifen die Äste an unseren Fenstern entlang, während wir uns zum Campground vorarbeiten. Im Gegensatz zu seinem sandigen Vorgänger am gestrigen Abend ist dieser Pfad steinig und es liegen immer wieder Felsbrocken in der Größe eines Medizinballes im Weg. Für die vier Kilometer benötigen wir eine halbe Stunde.

Den „Campingplatz“ erkennen wir schließlich nur daran, dass es am Wegesrand auf einmal Tischchen und ein Buschklo gibt. Herrlich unaufgeregt und ganz nach Australischer Art, darf man sich hier mitten in den Wald zwischen die Karribäume stellen. Natürlich ist niemand hier draußen. Außer einer Horde Stechfliegen, die sich begeistert über den unerwarteten Snack auf uns stürzt. Mit einer guten Portion „Bushman-Deet“, einem Kontaktgift, bei dem die Fliegen gleich tot vom Arm kollern, werden wir ihrer Herr. Dann grillen wir Steaks und dieses Mal backen wir vier hübsche Brötchen in unserem „Camp Oven“.

Bevor wir schlafen gehen, fällt mir noch ein Schild auf, das über das Verhalten im Falle eines Buschfeuers informiert. Das ist interessant. Das Schild wirbt mit den Schlagworten „Prepare“, „Act“, „Survive“ um die Aufmerksamkeit des Lesers. Es muss also wirklich wichtig sein! Ich studiere die Anweisungen deswegen aufmerksam, man weiß schließlich nie, wofür man das mal brauchen kann. Das Schild sagt, dass wir im Falle eines Buschbrandes einfach dem Evakuierungsplan folgen sollen, der aber nirgendwo zu finden ist.. Hm, das ist nicht so richtig hilfreich. Der nächste Abschnitt informiert darüber, was man tun soll, wenn man NICHT flüchten kann. Aha, jetzt wird es interessant. Punkt 1: Bleib ruhig, DO NOT PANIC. Klar, das ist einleuchtend, mit Panik ist hier niemandem geholfen. Punkt 2: Nimm‘ Dein Emergency-Kid aus dem Auto… Eh – welches Kid? Ist etwa jeder australische Wagen mit einem Buschfeuer Rettungspaket ausgestattet? Toll und was machen ausländische Touristen? Ich atme tief durch – ich soll ja nicht in Panik geraten. Alles gut, es kommt ja noch Punkt 3: Geh‘ zu einem Platz, den Du für sicher erachtest. Wie bitte? Das ist alles, was dieses tolle Schild an Tipps parat hält? Na, da wäre ich im Falle eines Brandes natürlich nie von selbst drauf gekommen… Was ist mit Vorschlägen wie: Wickel‘ Dich in eine nasse Wolldecke, halte die Atemweg frei… ?? Ich komme mir leicht verarscht vor. Wir sind hier schließlich mitten im Urwald. Weit und breit gibt es nichts anderes als trockene Äste, Bäume, Stämme und Laub. Wir stehen quasi direkt in einem Lagerfeuer, das nur darauf wartet, entzündet zu werden. Wo soll denn bitte dieser sichere Platz sein? Kopfschüttelnd gehe ich zum Auto zurück. Es wird schon nichts passieren…

1:30 Uhr. Ich werde davon wach, dass mir beißender Brandgeruch in die Nase steigt. Was ist das? Ich bin mit einem Schlag hellwach. Vorsichtig spähe ich aus dem Fenster. Vielleicht schwelen die Kohlen von unserem Grill noch vor sich hin. Doch ich kann nichts erkennen. Außerdem hat Christian den Grill wie immer äußerst gewissenhaft ausgemacht. Aber vielleicht waren andere Besucher dieses Nationalparks nicht ganz so achtsam. Vielleicht hat auch der Adventskranz dieser Spezialisten Feuer gefangen. Wir wissen es nicht, doch für Spekulationen bleibt keine Zeit. Mit einem Buschfeuer ist schließlich nicht zu spaßen. Wir mögen vielleicht nicht vorbereitet sein, aber überleben wollen wir alle Mal, also ist es höchste Zeit zu handeln !!

Fünf Minuten später sind wir angezogen, nach fünfzehn Minuten unterwegs. Gleichzeitig wissen wir natürlich, wie der Rückweg aussieht: Bei völliger Dunkelheit kämpfen wir uns über den schmalen Pfad und die Felsbrocken zurück und sind froh, dass wir unsere Laserlamps zuschalten können, die die Nacht zum Tag machen. Die ganze Zeit riecht es nach Feuer. Aber der Wind kommt glücklicherweise aus der anderen Richtung, sodass wir uns eher von dem Brand entfernen, als ihm entgegen zu fahren. Genau wissen wir es natürlich nicht und ich starre angestrengt aus dem Fenster. Nach einer halben Stunde hat die Teerstraße uns wieder und um 3 Uhr stellen wir Allaq auf einen Parkplatz in der Nähe von Margret River. Über dem Wald, den wir gerade noch durchfahren haben, liegt ein rötlicher Schein und Rauchwolken steigen in den Himmel… Wir trinken auf den Schreck erst einmal einen Baileys und einen Whiskey. Advent, Advent, ein Lichtlein brennt!

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