Anderstouren

Auf allen Vieren

Der Cape Arid und der angrenzende Cape Le Grand Nationalpark sind für ihre Traumstrände bekannt: Türkisblaue Buchten und schneeweißer Sand. Das wissen natürlich auch andere zu schätzen und besonders der Cape Le Grand ist uns zu überlaufen. Man muss schon Monate im Voraus eine Campsite online buchen, sonst hat man keine Chance. So habe ich gleich drei Nächte in Folge gebucht, weil ich unmöglich vorhersagen konnte, wann wir dort sein würden. Eine dieser Buchungen „erwischen“ wir dann auch und im Gegensatz zur Lucky Bay geht es am Cape Le Grand Campground noch recht ruhig zu. Besonders nett ist die Tatsache, dass man all diese Traumstrände mit dem Jeep befahren darf. Am nächsten Morgen fahren wir mit Allaq also einfach an den tosenden Wellen entlang den Strand hinunter und sind wenig später beim Frühstück am Meer vollkommen allein…

Cape Le Grand Nationalpark

Doch dieser Ausflug in den Tourismus reicht uns dann auch schon und wir flüchten regelrecht in den Cape Arid Nationalpark zurück. Das Buschfeuer ist nittlerweile unter Kontrolle und die Straßen im Süden sind wieder geöffnet. Dieser hat zwar auch einen Two-Wheel-Bereich – aber der größte Teil des Parks ist nur für Geländewagen, also „auf allen Vieren“ erreichbar. Hier entscheidet der Antrieb des Autos tatsächlich darüber, was man zu sehen bekommt. Denn während all die Wohnmobile und VW-Busse auf geteerten Campingplätzen mit Toiletten und Duschen zurückbleiben, die meilenweit vom Meer entfernt liegen, fahren wir geradewegs in eine herrliche und einsame Wildnis.

Während wir die Luft aus den Reifen lassen, um vom Straßendruck in die Wohlfühlzone zwischen 28 und 30 psi zu wechseln, hält Dave mit seinem Prado neben uns, der gnadenlos überladen scheint. Dave reist allein und hat deswegen eine halbe Autowerkstatt an Bord. Erst kürzlich war auch er auf der Canning Stock Route unterwegs. Er berichtet von 46 Grad und wir werfen uns einen vielsagenden Blick zu. Wir wissen schließlich, wovon er da spricht. Mitten auf dem Wüstentrack haben die „bloody“ Dichtungen Flüssigkeit verloren und er habe sie austauschen müssen. Dann habe er einen Platten gehabt und als er bei dieser „bloody“ Hitze mit dem „bloody“ Highlift Jack gewerkelt habe, sei das Ding zurückgeschlagen und habe ihm den Daumen zertrümmert, der danach bestimmt wirklich bloody war. (By the way: Ein Highlift Jack ist ein Wagenheber für Geländefahrzeuge mit viel Bodenfreiheit, der dafür berühmt ist, dass er Gliedmaßen amputiert – deswegen haben wir ja auch keinen – Christian ist schließlich auch ein Spezialist auf diesem Gebiet ;-)) Er habe dann kurz das Bewusstsein verloren, berichtet Dave munter weiter, als sei das gar nichts und ich glaube mich verhört zu haben. Wie bitte? Der Typ reist allein und wird mal eben bei 46 Grad auf der Canning ohnmächtig? Das hätte auch sein Ende sein können, oder? Aber genau aus diesem Grund sind wir ja umgekehrt. Immerhin hat er dann doch einen Funken Vernunft gezeigt und sei über einen vergessenen, zugewachsenen, bloody Track nach Newman gequert. Die einzige erreichbare Stadt ist allerdings auch 500-600 Kilometer entfernt. Aber dort sei er dann wenigstens in Krankenhaus gegangen. Die haben ihm allerdings auch nicht helfen können und haben ihn nach Perth geschickt – nochmal 1200 Kilometer – in Australien „just down the road.“

Nun ganz so verrückt wie Dave sind wir dann doch nicht. Aber wir mögen eben auch die Einsamkeit und die finden wir im „Allradteil“ des Cape Arid Nationalparks. Kaum haben wir das Schild „4×4 only“ passiert, verwandelt sich die breit geschobene Fisheries Road in eine winzige Sandpiste, die es in sich hat. Allaq rollt über sandige Wogen, Kurven und das berühmte Wellblech. Dann wird der Track lehmiger und an einer Kreuzung haben sich die Fahrzeuge im Schlamm derart festgefressen, dass wir unser Auto samt Kabine locker in den riesigen Gruben versenken können, die ihre Fluchtversuche hinterlassen haben. Wir finden glücklicherweise eine Umfahrung durch den Busch, denn die Abbruchkante wäre zu steil und das Loch zu tief gewesen, um die völlig zerstörte Passage zu durchfahren. Dann quert der Track riesige Salzpfannen, über die man eigentlich nie, nie, nie fahren sollte. Bleibst Du hier stecken, ist es fast unmöglich wieder rauszukommen, weil Dein Auto einfach versinkt. Zu allem Überfluss haben unsere verzweifelten Vorgänger zig Tracks geschaffen, um dem Salzsee bei Nässe zu entgehen, die sich immer wieder im Busch verlieren. Wir folgen der Offroad-Navigation, so gut wir können, doch irgendwann existiert der Track auf der Karte einfach nicht mehr. Hm – was tun? Wir können schließlich nicht einfach quer durch das Unterholz fahren. Also bleibt uns nichts anders übrig, als einer einzigen Reifenspur zu folgen (wir könnten schwören, sie stammt von Dave). Der Fahrer hat sich ebenfalls für den See entschieden und wir fahren wie auf rohen Eier über die Salzkruste. Glücklicherweise brechen wir nicht ein – aber wir sind auch heilfroh, als die eigentliche Piste endlich wieder aus dem Nichts auftaucht und wir die Salzpfanne verlassen können.

Am Ende des Tracks wartet noch eine Düne auf uns, die wir aber mit etwas Anlauf überwinden können und dann liegt er vor uns: Der Malcolm Point. Das weit ins Meer hinausragende Cap bietet einfach alles: Sturmumtoste Klippen, über denen die Möwen kreischend kreisen, einen schneeweißen Strand, auf den die schäumenden Wogen krachen und eine geschützte Lagune, in deren warmen Wassern Krebse um den besten Platz unter den Felsen streiten. Wir entscheiden uns für den Strand der seichten Lagune und schlagen dort unser Lager auf. Hier draußen ist (außer den Krebsen) absolut niemand und so bleiben wir einfach ein paar Tage. Wir genießen die Ruhe, die Sonne und die Zeit. Es treibt uns gerade nirgendwohin, also bleiben wir einfach, bis die Vorräte zur Neige gehen…

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