Anderstouren

Coober Pedy, das Mos Eisley Australiens

Oh je. Unser Kühlschrank besticht vor allem durch eines: Gähnende Leere. Zum Frühstück kratzen wir die letzten Reste zusammen. Der Wasserkanister gurgelt, als ich den Hahn aufdrehe. Auch er ist leer, aber fürs Kaffeewasser reicht’s noch. Wir sind echt völlig abgebrannt. Wir müssen unbedingt einkaufen und Wasser nachfüllen, aber auch tanken, Bargeld holen, Wäsche waschen, einige Dinge reparieren…

Kein Wunder. Seit beinahe zwei Wochen tätigen wir kleine Ergänzungseinkäufe in kostspieligen Roadhouses. Yulara war die einzige „Stadt“, die auf unserem Weg lag und der Ort am Ayers Rock, ihr erinnert Euch, fällt auch unter die Kategorie „gnadenlos überteuert“. Doch mit dem heutigen Tag beginnt der dritte Teil unserer Reise: Eine Expedition durch die einsamen Goldfields über Pisten wie den Anne Beadell Track, oder die Canning Stock Route bishin zur Küste Western Australias liegt vor uns. Die Einkaufsmöglichkeiten werden besten Falls daraus bestehen, dass wir alle fünf Tage ein Roadhouse erreichen und das ist dann schon das Höchste der Gefühle. Wir brauchen folglich dringend einen kompletten „Day-Off“ und einen Versorgungsstopp, bevor es losgehen kann. All unsere Hoffnungen richten sich deswegen auf Coober Pedy, das einzige, was man weit und breit als Stadt bezeichnen könnte. Doch wir sind ziemlich skeptisch, ob der Ort mit den 1700 Seelen hält, was er verspricht.

Wir fahren auf dem „Explorers Way“ nach Westen. Diesen heroischen Namen hat die breit geschobene Schotterpiste von William Creek nach Coober Pedy wahrscheinlich vom örtlichen Tourismusverband verpasst bekommen, um Touristen in diese trostlose Leere zu locken. Denn viel zu „entdecken“ gibt es hier wahrlich nicht. Wir queren eine platte, völlig monotone Wüste, die sogar für Outbackverhältnisse ausgesprochen karg und vegetationslos ist. Die einzige Abwechslung bieten erschreckend tiefe Bulldustholes, bei deren Anblick jeder Sandkasten vor Neid erblassen würde. Eines dieser Exemplare ist tatsächlich so weich und tief, dass wir um ein Haar wirklich stecken bleiben. Ein ungewöhnliches Phänomen auf einer relativ stark befahrenen Straße (auf 160 Kilometern begegnen uns immerhin fünf andere Fahrzeuge!).

Road Train auf dem Explorers Way

Da wir auf dem Explorers Way offenbar nicht zu großen Entdeckern werden, sorgen wir selbst für etwas Unterhaltung und erfinden allerlei abenteuerliche Coober Pedy Songs, die allesamt um üppig gefüllte Supermarktregale und oasenähnliche Campingplätze mit Swimmingpool kreisen und die wir inbrünstig während der Fahrt schmettern. Ein Auszug aus unseren kompositorischen Höchstleistungen lautet wie folgt: „Coober Pedy – the town of luxury. Coober Pedy – come in and feel free. Coober Pedy – the place for you and me…“ Okay, die Audioversion ersparen wir Euch ;).

Und dann taucht es auf einmal auf, völlig unvermittelt. Rötliche Berge steigen regelrecht aus der trockenen Ebene auf und schimmern dann durch die flimmernden Hitzespiegelungen in weiter Ferne. Die Landschaft, die sich da vor uns auftut, ist so unwirklich, dass wir nun endgültig davon überzeugt sind, diesen Planeten verlassen zu haben. Ich fühle mich viel eher, als wäre ich auf Tatooine unterwegs und halte unwillkürlich Ausschau, ob Luke Skywalker mit seinem X-34 Landgleiter vorbei saust.

Auch als wir uns der Stadt nähern, verändert sich dieser Eindruck nicht. Ganz im Gegenteil. Wir fahren durch rote Hügel und weiß-gelbe Abraumhalden zwischen denen Bergbaumaschinen stehen, die entweder noch in Gebrauch sind, oder längst vor sich hinrosten. Überall liegen Autowracks, ausrangierte Autoreifen und jede Menge Schrott, den wir nicht zuordnen können. Ehrlich gesagt, wundert es mich nicht mehr, dass die Bewohner Coober Pedys unter der Erde leben. Bei der Umlage möchte man seinen Blick sicher nicht genussvoll aus dem Küchenfenster schweifen lassen. Das ist natürlich nicht der einzige Grund, warum die Menschen hier in sogenannten dugouts, in Wohnhöhlen leben. In den Wohnungen, die sie in den Berg gegraben haben, herrschen das ganze Jahr über angenehme 25 Grad, während es draußen im Winter schon mal ungemütlich kalt und im Sommer natürlich gnadenlos heiß werden kann. Außerdem lebt die Stadt vom Opalabbau und ihr Boden ist mittlerweile durchlöchert wie ein Schweizerkäse. Schilder warnen den Besucher davor, die Straße zu verlassen, zu rennen, oder auf irgendeine Weise einfach umher zu laufen. Ansonsten könne man urplötzlich in ein nicht gekennzeichnetes Loch fallen. Gut, also bleiben wir auf den Wegen, was nicht schwer ist, denn es gibt ohnehin nur eine Straße.

Höhlenwohnung in Coober Pedy

Über der Erde gibt es so gut wie nichts Schönes, oder Grünes. Klar. Wasser ist knapp und man kann es nur an Münzautomaten zapfen, die in der Stadt verteilt sind. Wir brauchen eine Weile, bis wir einen Campingplatz gefunden haben, der nicht nur aus einer glühendheißen, staubigen Fläche besteht. Der Campingplatz des Opal-Inn hält sich immerhin einige magere Bäume und einen blühenden Busch, der zumindest versucht, die Illusion einer hübschen Ferienanlage aufrecht zu erhalten. Es bleibt natürlich bei dem Versuch. Über die verstaubten Wellblechbaracken und den Wellblechzaun, der mit zwei Reihen Stacheldraht gesichert wird, kann man einfach nicht hinweg sehen. Müll weht uns anheimelnd um die Füße und die Stellplätze sind mit alten Autoreifen abgeteilt, womit auch sonst.

Außerdem ziehen zerlumpte, übel riechende Gestalten durch die Stadt und betteln. Ja, sie kommen mit der Dunkelheit sogar bis an unseren Camper heran. Wie sagte Obi Wan Kenobi so schön: „Coober Pedy, nirgenwo wird Du mehr Abschaum und Verkommenheit versammelt finden als hier.“ Ach nein, das war Mos Eisley. Doch je länger wir bleiben, desto mehr festigt sich mein Eindruck, dass Cooper Pedy mehr mit dem Raumhafen des Wüstenplaneten Tatooine zu hat, als uns lieb ist. Zumindest scheint sich auch hier recht seltsames Volk zu tummeln und es herrschen strenge Regeln, was den Alkkoholkonsum betrifft. Es darf kein Alkohol in der Öffentlichkeit getrunken werden und jede Person darf nur eine Flasche harten Alkohol, oder einen Kasten Bier täglich kaufen, was für mich jedoch auch für einen Rausch reichen würde, von dem ich mich wahrscheinlich nie wieder erholen würde.

Trotz ihres speziellen Flairs bescheren uns die Opalstadt und ihre Mienengesellschaft eine echt billige Tankstelle, die ganze 91 Cent günstiger ist als unsere letzte Outback-Tanke! Die Zapfsäule steht zwar auf einem verlassenen Hinterhof in einer abenteuerlichen Landschaft aus alten Autos, verrosteten Metallteilen und natürlich jede Menge Autoreifen, aber bei 180 Litern Diesel lohnt sich ein Versuch. So können wir es kaum glauben, als Christian den Zapfhahn abnimmt und dieser tatsächlich Diesel ausspuckt. Noch abenteuerlicher ist dann die „Kasse“, auf die ein selbst gemaltes Pappschild mit der Aufschrift „Please pay here“ hinweist, das an einer Wellblechhalle angebracht ist. Ich bahne mir einen Weg durch die Mülltonnen, Autoreifen, zig verblichene Plastikstühle, an einem alten Container und einem Hund vorbei, der das einzige Lebenwesen auf diesem Hof zu sein scheint. Umso überraschter bin ich, als ich die Halle betrete. Zwischen Regalen, in denen hunderte von Schachteln stehen, die wahrscheinlich jedes Ersatzteil dieser Welt enthalten, entdecke ich einen erschreckend modernen Tresen, hinter dem ein Mann vor seinem Computer sitzt, der mich freundlich anlächelt und meine Kreditkarte entgegen nimmt..

Versorgungsstop in Coober Pedy

Wenig später schiebe ich zwei (!) Einkaufswagen aus dem IGA, dem hiesen Supermarkt, die Wasserkanister sind prall gefüllt, die Wäsche ist gewaschen und der dritte Geldautomat funktioniert dann auch endlich. So können wir in Cooper Pedy letztlich doch noch alles erledigen, was wir wollen. Jetzt machen wir noch den Millenium Falken flott und dann nichts wie weg hier. Immerhin schaffen wir den Korsalflug in weniger 12 Parsec 😉

7 Kommentare

  1. Hey, Coober Pedy ist echt „strange“, aber muss man mal gesehen haben. Die Höhlenwohnungen und die Höhlenkirche sind auch irgendwie cool und die ganzen Abraumhalden, wie ne Mondlandschaft.
    Ich weiß grad nicht, ob aus Star Wars oder einem anderen Sciencefiction Film, aber dort liegt doch auch irgendwo ein alter Sternenkreuzer im Sand. Gibt’s den noch?
    Na Hauptsache ihr konntet euch wieder gut mit Vorräten eindecken in der Opal-City.

  2. Wir verfolgen weiter gespannt euer Abenteuer in Tatooine… ehm Australia….

    Wir sind gerade in Barcelona und genießen das Kontrastprogramm am Mittelmeer. Grüße von Fabian und Katrin

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