Anderstouren

Die Serengeti Tasmaniens – Känguru satt!

Wir fahren durch dichten Regenwald. Schlingpflanzen wuchern an den hohen Bäumen empor, hellgrüne Moose hängen wie Schleier von den Ästen hinab. Dazwischen recken Farne von beeindruckender Größe ihre üppigen Blätter dem wenigen Tageslicht entgegen, das das dichte Blätterdach der Baumriesen zu ihnen durchlässt. Ein leichter Regen fällt auf uns herab und lässt den würzigen Geruch in diesem Wald noch intensiver werden. Es duftet nach nasser, schwerer Erde, nach Wurzeln und nach irgendeiner wundersamen Blume. Als der Regen nachlässt, steigt Nebel über den Baumkronen auf und zieht über die Bergflanken hinweg, auf denen jeder Quadratzentimeter bewachsen ist. Tasmanien ist grün und voller Leben.

Unser erstes Ziel ist der Narawntapu Nationalpark, der für seine vielen Tiere bekannt ist und den Ruf genießt, die Serengeti Tasmaniens zu sein. Gleich zu Beginn überrascht der Park mit einem Schild, das auf den bedrohten Tasmanischen Teufel hinweist. Wo sonst hüpfende Kängarus auf gelben Hintergrund pranken, ist hier der berühmte Beutler abgebildet. Na, mal sehen. Wir fahren gespannt in den Nationalpark ein und sind im nächsten Moment umringt von Kängurus. Sie grasen auf den Wiesen, oder stehen am Straßenrand Spalir, als wir langsam vorbei fahren. Dort verschwindet ein kleines Wallabie mit großen Sprüngen im Busch und da wetzt ein noch kleinerer Beutler über die Piste. Es sind so viele, dass wir gar nicht wissen, wo wir als erstes hinschauen sollen.

Natürlich wollen wir die Tiere aus nächster Nähe beobachten und filmen. Also lassen wir das Auto einfach stehen, schnappen uns die Kamera und gehen zu Fuß. Zunächst prischen wir uns vorsichtig an eine Gruppe von acht Tieren heran. Dabei ist es ratsam, sich im Zickzack anzunähern und nie den direkten Weg zu wählen. Außerdem versuchen wir dabei einen möglichst desinteressierten Gesichtsausdruck an den Tag zu legen und in die andere Richtung zu schauen, damit die Kängurus nicht merken, dass es eigentlich um sie geht. Als wir nah genug sind und uns ihnen dann doch irgendwann zu wenden, heben sie prompt alamiert den Kopf. Mist. Gleich werden sie wegspringen und im Gebüsch verschwinden. Glücklicherweise hat Christian bei unserem ersten Aufenthalt in Australien von einem Tierforscher gelernt, wie sich Kängurus untereinander begrüßen. Es ist eine Mischung aus einem Knurren und einem heiseren Schnauben, vergleichbar mit einem umgedrehten Husten, das offenbar nur ein Mann herausbringen kann. Mir ist es zumindest noch nie geglückt mit einem Känguru zu sprechen, aber Christian gelingt es seither immer wieder. So auch heute. Er lässt den heiseren Ruf hören und nun hat er die volle Aufmerksamkeit der Tiere. Sie richten sich auf, betrachten ihn eine Weile prüfend und fragen sich sicher, was das für ein seltsames Känguru mit der Kamera in der Hand ist. Aber dann scheinen sie uns wohl als ihre Artgenossen zu akzeptieren und grasen in aller Ruhe weiter. Von diesem Moment an haben wir leichtes Spiel. Wir kommen bis auf wenige Meter an die Kängurus heran, filmen sie, wie sie sich genüsslich am Bauch kratzen, oder wie eine Mutter ihr Junges säugt.

Auf der anderen Seite der Wiese hat sich eines der großen Forester Kängurus ins Gras gelegt, steckt die langen Beine von sich und macht dabei einen wirklich lässigen Eindruck. Auch diesem Tier nähern wir uns vorsichtig und Christian begrüßt es freundlich. Das Känguru sieht uns nur aus dunklen Augen an und macht keine Anstalten aufzuspringen oder fortzulaufen. Selbst als ich mich quasi daneben lege, lässt es sich seine Frühstückspause nicht verderben. So liegen wir eine Weile gemeinsam in exakt derselben Haltung im Gras und da ich leider kein Känguruflüsterer bin, kann ich nur ein paar ganz normale Worte an meinen neuen Freund richten. Oder hätte ich es besser auf Englisch versuchen sollen?

Die Zeit vergeht wie im Flug und als wir irgendwann mit leeren Akkus, erschöpft aber happy zum Auto zurückgehen, sind drei Stunden vergangen. Es war so bezaubernd, einfach zwischen den grasenden Kängurus zu sitzen, dass ich die Zeit völlig vergessen habe.

Am Abend zeigt sich im Mount William Nationalpark ein ähnliches Bild: Kängurus grasen in großen Herden auf den Wiesen, die im warmen Abendlicht golden leuchten. Die prächtigen Tiere sind auch hier überall. Wir sehen sie hinter den Farnen stehen, oder sie wetzen eilig vor unserem Auto über die Straße. Selbst auf dem einfachen Buschcampingplatz, den wir beim Sonnenuntergang beziehen, sitzen Kängurus in unmittelbarer Nähe zwischen den Bäumen.

Als wir dann in der Kabine sitzen und wie jeden Abend schreiben, lesen und Fotos durchschauen, hören wir ein seltsames Knurren, das erschreckend nah klingt. Irgendetwas sitzt gleich neben unserem Auto und knurrt. Wir starren uns erschrocken an und lauschen dem seltsamen Geräusch eine Weile. Dann öffne ich mutig ein Fenster und leuchte mit der Taschenlampe durch die Dunkelheit. Leider können wir nicht erkennen, was da draußen vor sich hin knurrt und was uns so erschreckt hat. War es etwa ein Tasmanischer Teufel, oder gar der beinahe gänzlich verschwundene Tasmanische Tiger? Hier im äußersten Nordosten der Insel soll es angeblich noch einige Exemplare der fast ausgestorbenen Spezies geben. Wir wissen es nicht. Fest steht aber, dass es hier auf Tasmanien vor Tieren nur so wimmelt und dass wir uns wohl erst noch an die Rufe, das Rascheln im Gebüsch, die vielen Pfoten und die Geräusche in der Nacht gewöhnen müssen.

3 Kommentare

  1. Hi, das umgekehrte Husten möchte ich gern mal hören. Ich kann mir das echt nicht vorstellen. Schöne Reise weiterhin.
    Liebe Grüsse Fabian

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