Anderstouren

Adrenalin und Alpha-Männchen…

Sechster Tag auf dem Anne Beadell Highway und uns ist immer noch kein anderes Fahrzeug begegnet. Außer uns scheint hier wirklich niemand unterwegs zu sein, obwohl die Piste westlich von Ilkurlka wirklich deutlich besser ist als im östlichen Teil. Wir fahren zwar immer noch auf einem schmalen Erdtrack, doch der wartet nur noch ab und an mit tiefem Sand, Felsen oder einer fiesen Rinne auf, die Christian auf die Bremse zwingt. Ansonsten können wir den Truck einfach rollen lassen und ab und zu titscht die Tachonadel sogar an die 70.

Die einzigen Hindernisse, die sich uns heute in den Weg stellen, sind tierischer Natur. So entdecke ich mitten auf der Fahrbahn einen Stock, einen Stock mit Beinen. Ein 1,5 Meter langer Großwaran scheint entschieden zu haben, sich als Ast zu tarnen; eine Strategie, die nicht unbedingt aufgeht, wenn ein Auto auf einen zu rast. Wir halten natürlich an, denn wir wollen das schöne Tier gerne aus der Nähe betrachten. Glücklicherweise scheint es noch eine Weile „Stock spielen“ zu wollen und so kommen wir ziemlich nah an den Waran heran. Sein Kopf wird von einem netzförmigen Muster überzogen, während seinen dunklen Körper hübsche, gelbe Punkte zieren. Das Tier verharrt völlig regungslos, nur sein Auge bewegt sich und damit hält es uns wachsam im Blick. Zum ersten Mal auf dieser Reise haben wir damit die Gelegenheit, einen Waran zu filmen und zu fotographieren. Irgendwann scheint es ihm aber zu blöd zu werden, das Modell für uns zu spielen und er trollt sich.

Großwaran

Auf dem weiteren Weg springen mehrere Kängurus gleich neben der Piste entlang und Dromedare liegen immer wieder mitten auf dem Track. Wenn wir uns nähern, bequemen sie sich irgendwann, sich mit ziemlich empörter Miene auf ihre langen Beine zu stellen und über die weite Ebene davon zu trotten.

Dromedare mitten auf dem Weg…

Am Abend finden wir ein Buschcamp gleich neben dem Track und eine alte Feuerstelle verrät, dass wir nicht die Ersten sind, die auf diesem Platz eine Nacht verbringen, unsere letzte Nacht auf dem Anne Beadell Highway. Über den Himmel zieht graues Gewölk, sodass wir heute wohl auf die Sterne verzichten müssen. Dafür darf ein Lagerfeuer auf keinen Fall fehlen. Christian hebt eine Feuergrube aus und zerkleinert das trockene Holz, während ich eine Gemüsepfanne mit Lamm zubereite. Wir essen im Schein des Feuers und genießen noch einmal die besondere Atmosphäre hier draußen im Busch. Später spielt Christian Low-Whistle, ich sehe den Flammen zu und ein weiterer Tag im Outback geht zu Ende…

Irgendwann heißt es dann, Lager abbauen und schlafen gehen. Christian zieht die Glut mit dem Spaten auseinander und ich klettere in die Kabine, um dort Ordnung zu schaffen. Ich will gerade das Geschirr wegräumen, als von draußen ein Urschrei ertönt. Vor lauter Schreck lasse ich die Gabel fallen, die ich gerade einräumen wollte und mache einen Satz zur Seite. „Duuuu! Hau ab!“ brüllt mein Ehemann, dessen Stimme ich in dem wilden Gebrüll kaum noch erkennen kann. Ich hechte zum Fenster und sehe gerade noch, wie sich Christian etwa zum doppelten Volumen seiner ohnehin imposanten Größe aufplustert und dann mit irrem Blick, den Spaten in der Rechten, einen wilden Schei hören lässt, der eher von einem Bären stammen könnte. Irgendetwas scheint dort draußen zu sein, ihn möglicherweise anzugreifen. Ich zittere wie Espenlaup und frage mit piepsigem Stimmchen: „Was, was ist?“ „Dingos“, gibt mein Mann mit heiserer Stimme zur Antwort, hebt hastig einige Äste vom Boden auf und wirft sie auf die Glut. Sofort flammt das Feuer wieder auf. Und dann sehe ich sie auch: Im Schein der Taschenlampe blitzen mehrere Augenpaare hinter den Büschen auf. Fünf oder sechs Dingos haben uns eingekreist und verständigen sich mit bellenden Lauten. Stimmen sie etwa ihren Angriff ab?

Büsche bewegen sich, Äste knacken. Die Wildhunde ziehen ihre Kreise enger um unser Lager. Selbst das Feuer scheint sie nicht davon abzuhalten, sich uns zu nähern und sie unternehmen weitere Versuche, auf die Lichtung vorzudringen. Christian gibt drohende, grollende Laute von sich, seine Stimme ist viel tiefer als sonst. Er scheint instinktiv das Richtige zu tun und hält die Hunde damit in Schach. Dann bringt er eilig die letzten Sachen in Sicherheit und bewegt sich dabei nur noch mit dem Rücken zum Auto, hält die Tiere scharf im Auge.

Es raschelt hinter der Kabine. Ich springe zum anderen Fenster hinüber und sehe, dass sich gleich hinter unserem Wagen mehrere Dingos zusammen rotten. Die großen Wildhunde sind keine drei Meter von uns entfernt und im Rudel können sie auch für einen Menschen gefährlich werden. Deswegen wäre es mir lieber, wenn Christian die Sachen einfach stehen lassen und in die sichere Kabine kommen würde. Doch er denkt gar nicht daran. Bei ihm scheint ein uraltes Programm reaktiviert worden zu sein, das wahrscheinlich seit 43 Jahren ungenutzt in seinem Stammhirn schlummert und das ihn gerade mit einer ordentlich Portion Adrenalin versorgt. Mit einem wilden Funkeln in den Augen packt er einen der brennenden Äste aus dem Feuer und rennt damit hinter das Auto. Dabei lässt er erneut einen animalischen Schrei hören und macht klar, wer hier das Alpha-Tier ist. Die Dingos ziehen prompt den Kopf ein und stehlen sich dann davon.

Christian kommt in die Kabine und erzählt mir außer Atem, dass sich einer der Hunde bis auf zwei Meter an ihn heran geschlichen habe und dass er dann in der Tat gehandelt habe, ohne zu überlegen. Schon verrückt, was da in unserem Stammhirn angelegt ist, oder? Wann kommen wir in unserer Zeit denn noch in die Situation, ein wolfsähnliches Wildtier in die Flucht schlagen zu müssen? Dann ist es doch erstaunlich, dass diese Instinkte immer noch blitzschnell zur Stelle sind, wenn man sie wirklich braucht.

Am nächsten Morgen finden wir die Spuren der Dingos rund um das Auto. Aber sie haben in dieser Nacht wohl keine fette Beute machen können…

2 Kommentare

  1. Puh, das ist ja grade nochmal gut gegangen!
    Habt ihr denn in der Nacht noch ein Auge zugetan nach diesem Adrenalinschub??
    Weiterhin gute Fahrt 😘

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