Anderstouren

Crossing the Nullarbor Plain

In 1008 Kilometern sollen wir das nächste Mal abbiegen, sagt unser Navi, als wir beim Balladonia Roadhouse auf den Eyre Highway fahren. Bis dahin geht es auf einer breiten Teerstrasse immer geradeaus. Und was für ein Geradeaus das ist. Ich habe zeitweise das Gefühl, als wären wir in einem schlecht animierten Computerspiel gefangen, das eine immer gleiche Landschaft zur Rechten und Linken generiert und uns schnurgerade auf den Fluchtpunkt zu fahren lässt. Kein Wunder, denn hier befindet sich auch Australiens längste gerade Strecke, auf der es auf einer Länge von knapp 150 Kilometer nicht eine einzige Kurve gibt: Ein Paradies für den Tempomaten und eine beeindruckende Erfahrung.

„Nullarbor“ ist aus dem Lateinischen abgeleitet und bedeutet „kein Baum“. Und so ist es auch. Während uns zu Beginn noch ein paar Eukalpten begleiten, werden die Bäume bald immer seltener und verschwinden schließlich gänzlich. Neben der Straße befindet sich nur noch ein weites Nichts. Die endlosen Ebenen werden lediglich von niedrigen, trockenen Büschen bedeckt, die als einzige den harten Bedingungen hier draußen trotzen. Ansonsten ist es vor allem heiß und trocken. Wir mögen uns gar nicht vorstellen, wie es John Eyre erging, der heute am 24. Februar auf den Tag genau vor 178 Jahren aufbrach, 1400 Kilometer zu Fuß zurücklegte und als erster Weißer die Nullarbor Plain durchquerte. Ehrlich gesagt, würde ich keine Stunde dort draußen unterwegs sein wollen. Das Thermometer hat bereits morgens wieder die 40 überschritten und ich bin froh, dass ich in einem klimatisierten Auto unterwegs bin und meinen Kaffee schlürfe. Doch es scheint auch hier draußen Abenteurer zu geben, die Eyre nacheifern und die Nullarbor mit dem Fahrrad durchfahren wollen. Sogar einen Fußgänger überholen wir.

Nun ganz so verrückt sind wir dann doch nicht. Trotzdem ist die Querung der Nullarbor Plain nicht ganz ohne. Wir sind zwar auf einem geteerten Highway unterwegs, auf dem uns hin und wieder ein Roadtrain, ein Truck mit drei oder sogar vier Anhängern mit einer irren Druckwelle entgegen donnert, doch ansonsten gibt es hier draußen einfach nichts. Keine Kreuzung, kein Haus. Die auf den Schildern alle 150-200 Kilometer angeführten „Orte“ sind keine Ortschaften, sondern lediglich sogenannte Roadhouses. Das sind Tankstellen mit Restaurant und Motel, die den Reisenden in dieser Einöde mit dem Nötigsten versorgen. Auf Grund der Trockenheit ist das Wasser jedoch rationiert, W-Lan und Handy-Empfang gibt es nicht, die Spritpreise sind um ein Drittel höher als in den Städten und Lebensmittel sind teuer, oder gar nicht zu bekommen. Ein Eis kostet so viel wie sonst ein Essen im Restaurant. So hat uns die Teerstraße zwar wieder, wir sind aber dennoch noch auf uns allein gestellt. Gut, dass wir in Kalgoorlie unsere Wasservoräte bis zur Oberkante aufgefüllt und so großzügig eingekauft haben.

Gleichzeitig bereitet uns dieser Einkauf aber auch Kopfzerbrechen. Eigentlich sollte man meinen, dass wir jetzt alle Quarantäneinspektionen endlich hinter uns haben. Doch zwischen den einzelnen Staaten erwarten uns wieder Kontrollen und beim bevorstehenden Übertritt von Western nach South Australia gibt es eine „Fruit Fly Inspection“. Die Regierung versucht auf diesem Weg die Ausbreitung der gemeinen Fruchtfliege einzudämmen und hat deswegen die Quarantänebestimmungen drastisch verschärft. Wir dürfen nichts einführen, was grün und gesund ist. Deswegen landet sämtliches Gemüse am Abend in der Pfanne, dazu gibt es einen großzügigen Salat, zum Frühstück vernichten wir die Salatgurke und auf der Fahrt futtern wir den Rest der Macadamianüsse und die getrocknete Ananas.

Trotz der Einöde wird uns auf den 1200 Kilometern nicht langweilig. So halten wir beispielsweise beim Caiguna Blowhole. Es ist der Ausgang eines gigantischen Höhlensystems, das unter der Nullarbor verläuft. Aus diesem Loch im Fels strömt kontinuierlich kalte, leicht modrig riechende Luft, in die sich ein Schwarm kleiner Vögel drückt, um bei 45 Grad im Schatten etwas Kühlung zu finden. Die Vögel wirken dabei so matt und erschöpft, dass sie nicht einmal davon fliegen, als wir uns das Blowhole ansehen wollen. Wir stellen ihnen schließlich ein Schälchen mit Wasser auf den Boden, in das sie ihre Schnäbel dankbar tauchen und trinken. Immerhin hat es hier seit Wochen nicht geregnet. Außerdem erwarten uns die Bunda Cliffs, 90 Meter hohe Kalksteinklippen über einem türkisen Meer. Der Blick in die Tiefe ist bei Weitem beeindruckender als die Cliffs in Irland, die wir vor einigen Jahren besucht haben. Wo sind dann die Souvenirshops und die Reisebusse? An einem solchen Aussichtspunkt wären normalerweise hunderte von Menschen. Doch wir sind ganz allein hier draußen. Auch am Madura Pass ist niemand außer uns und einer Kängurumutter mit ihrem Jungen. Wir beobachten die beiden eine Weile, wie sie sich neugierig aufrichten und die Ohren aufstellen, bis wir uns der grandiosen Aussicht zu wenden. Von hier oben bekommt man erst eine Vorstellung von den endlosen Weiten dieser Ebene. Trotzdem sehen wir gerade nur ein winziges Stück Australiens oder gar der Erde. Das verdeutlicht uns der Schilderbaum beim Grenzübergang noch einmal auf eindrückliche Weise: Perth ist bereits 1.462 Kilometer entfernt und bis nach Berlin sind es 16.025 Kilometer. Unvorstellbar. Unsere Reise bringt uns nun weiter nach Osten. Also werden bald noch ein paar „Ks“, wie der Aussie sagt, dazu kommen.

4 Kommentare

  1. Ein Abenteuer nach dem nächsten.. Ich hoffe, dass auch die weiteren Grenzkontrollen ohne Beanstandungen klappen! Und dass ihr euch vor lauter Hitze nicht auch verflüssigt!

Schreibe einen Kommentar zu Anderstouren Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

%d Bloggern gefällt das: