Anderstouren

Die Hochzeit der Pelikane – Teil II

Nicht nur die Pelikane haben ein Stelldichein am Lake Eyre, auch wir haben heute Hochzeitstag. Wir beginnen ihn mit einem fulminanten Frühstück, dessen Zutaten wir für ein kleines Vermögen im Roadhouse erstanden haben: Ein Joghurt für jeden, ein Luxus, den wir jetzt seit 2 Monaten nicht mehr hatten und Eier und Speck, die Christian todesmutig in der Außenküche zubereitet, während ihn hunderte von Fliegen und Mücken in den unterschiedlichsten Varianten umschwirren und er wieder einmal von diesen fiesen Käfern attackiert wird. Wo kommen in dieser absolut toten Salzwüste nur so viele Insekten her? Wahrscheinlich zieht der Lake Eyre auch sie magisch in seinen Bann. Bis heute weiß man nicht, woher die Vögel aus Übersee wissen, dass der Salzsee sich mit Wasser füllt und sich dann auf ihre weite Reise machen. Schließlich passiert das nur alle Jubeljahre, in diesem Ausmaß zuletzt im Jahr 1974.

Wir bedauern immer noch, dass wir die Wasserfront nicht zu Fuß erreichen und uns dieses unglaubliche Ereignis aus der Nähe sehen konnten. Deswegen, und weil heute ein besonderer Tag ist, entscheiden wir uns für etwas, was wir auf all unseren Reise noch nie gemacht haben: Einen „Scenic Flight“. Also fahren wir zurück nach William Creek, wo die Flüge über den See angeboten werden.

Beim Anblick der einmotorigen Propellermaschine habe ich ein ziemlich mulmiges Gefühl im Magen. Zdenka, unsere Pilotin, bemerkt meinen skeptischen Blick und deutet lachend auf den Mini-Flieger. Die Dinger seien wie geschaffen für diese Gegend und ziemlich robust. Mit solchen Flugzeugen kommen die „Flying Doctors“ an den Ort des Geschehens, bestellen aber auch die Besitzer der Rinderfarmen ihr riesiges Land, oder besuchen ihre Nachbarn in 300 Kilometer Entfernung. „In Australien kannst Du noch richtig fliegen“, erzählt Zdenka, die vor fünf Jahren aus Tschechien hierher gekommen ist, um ihren Pilotenschein zu machen. Klar, dieses Flugzeug kann man wahrscheinlich auch mit einem Schraubenschlüssel und etwas Öl wieder flott machen.

Ich klettere umständlich auf den Rücksitz und denke sehnsüchtig an unsere Sitze mit extra Beinfreiheit. Denn meine Knie werden sogleich gnadenlos hinter Christians Beifahrersitz eingeklemmt, sodass ich schräg sitzen muss. In dieser Blechbüchse, wie Christian das Flugzeug mit kaum merklicher Ironie nennt, finden genau drei Personen Platz. 1400 Kilogramm beträgt unser Abhebegewicht, das so genau berechnet werden musste, dass wir uns vor Abflug sogar auf die Waage stellen und um jede Kamera feilschen mussten!

Zdenka schraubt an einem der unzähligen Knöpfe und Hebel, betrachtet mit ernster Miene die für mich völlig unverständlichen Messinstrumente vor ihr. Sie ist Pilot, Funker, Techniker und Stewardess in einem. Dann wirft sie den Propeller an und sogleich ist es so laut, das jede Unterhaltung unmöglich wird. Ich setze den Kopfhörer auf und ziehe das Mikrophon vor den Mund. Wir fahren über das kleine Rollfeld, die wenigen staubigen Gebäude hier draußen fliegen an uns vorbei. „Ready for departure“, sagt ihre Stimme und ich halte den Atem an. Im nächsten Moment ist der Vogel, naja das Vögelchen schon in der Luft. Wow, das ist echt ein komisches Gefühl. Wir fliegen mit 200 km/h und auf 2500 Fuß. Vor uns gibt es nur den Motorblock und den Propeller, neben uns eine fünf Zentimeter dicke Tür, die man einfach so öffnen kann und dann kommt gleich die Tiefe und die rote Wüste, die unter uns hinweg gleitet. Da ist nicht viel zwischen uns und dem, was wir dort draußen sehen und spüren. Der Flieger macht auch prompt einige wilde Bocksprünge und wir werden ordentlich durchgeschüttelt. Ein Fahrt auf der French Line ist nichts dagegen und langsam verstehe ich, warum Qantas ihre Flugstrecke einst die „Kängururoute“ nannte.

„Das sind die Winde und die aufkommende Thermik am Nachmittag“, sagt Zdenka in ihr Mirkophon. Nur so viel: Für Menschen mit Flugangst, oder einem schwachen Magen ist der Nachmittagsflug nicht zu empfehlen. Ansonsten ist dieser Ausflug absolut „stunning“, wie der Aussie sagen würde, atemberaubend. Der Lake Eyre taucht strahlend weiß am Horizont auf und bald können wir auch das blaue Band erkennen, das sich über den Salzsee zieht. Da ist es also, das Wasser! Seit wir Tasmanien verlassen haben, hat diese Überflutung unsere gesamte Reise bestimmt und dennoch haben wir sie nicht einmal mit eigenen Augen gesehen.

Die Überflutung im Hinterland

Welche Wassermassen da aus Queensland ins Landesinnere rollen, können wir jedoch erst erahnen, als Zdenka die Maschine über die mächtigen Zuflüsse im Hinterland fliegt. Die weit verästelten Flussarme sind nicht nur randvoll gefüllt, nein, die Fluten haben auch ihre Ufer überspült und bilden eigene kleine See, auf denen die Abendsonne golden glitzert. Zdenka neigt die Maschine zur Seite und fliegt eine Schleife, damit wir die Flüsse noch besser sehen können. Unglaublich. Dort unten gibt es „Wetlands“ mitten in der Wüste. Fischreiher stehen am Ufer, Vogelschwärme tummeln sich auf dem Wasser und schlagen mit den Flügeln. Sie scheinen genauso aufgeregt zu sein wie ich, als ich dieses seltene Schauspiel beobachten darf.

Und dann gleiten wir über die schimmernde Oberfläche eines mit Wasser gefüllten Lake Eyres hinweg. Was für ein Moment! Ich habe gestern schon den Gedanken gehegt, dass dieser See riesig ist. Doch aus der Luft wirkt er noch gigantischer. Vier Meter beträgt der Wasserspiegel im Moment und es übersteigt meine Vorstellungskraft, wie viele Liter nötig sind, um einen solch riesigen See zu füllen. Wir folgen dem Wasser, können sehen wie es unaufhörlich vorwärts fließt und das raue Gesicht des Salzsees erobert. Im Januar haben sich diese Fluten auf ihre lange Reise gemacht und sie bewegen sich jetzt mit vier Seemeilen pro Tag auf die Halligan Bay zu, die nun ebenfalls in Sicht kommt. Gestern habe ich dort unten auf dem Salz gestanden, zum Horizont hinauf geblickt und nach dem Wasser Ausschau gehalten. Heute fliege ich über das Wasser und schaue auf das Salz hinab, das sicher noch meine Fußabdrücke trägt. Eine faszinierende Vorstellung.

Die Wasserfront bewegt sich auf Halligan Bay zu

Wir überfliegen die Wasserfront, die sich schäumend vorwärts wälzt und zum Abschied taucht die Abendsonne die Wasser in ein glitzerndes Gold. In diesem Augenblick kann ich die Pelikane verstehen: Zu zu sehen, wie sich der Lake Eyre mit Wasser füllt und so jener mysteriöse, lange gesuchte See mitten im Outback entsteht, ist wahrlich jede Mühe und eine sehr weite Reise wert. Außerdem könnte ich mir keinen schöneren Ort vorstellen, um Hochzeit zu halten.

5 Kommentare

  1. Das klingt nach einem gelungenen Ausflug zum Hochzeitstag!
    Glückwunsch nachträglich!
    Mein Gott, schon 17 Jahre!!! So lange kommt mir das noch gar nicht vor. Schön, dass ihr immer noch so glücklich zusammen seid.

    Ihr hab echt noch nie auf euren Reisen einen Rundflug gemacht? Dann wurde es aber auch höchste Zeit!
    Ich sag ja immer: nutze die Gelegenheit, wenn sie sich bietet.
    Scheiß aufs Geld, wer weiß, wann man da nochmal hinkommt 😉
    Nach meiner ersten Erfahrung in einer Cessna samt Spuckbeutel, empfehle ich jetzt immer Reisekaugummi. Das hilft auf jeden Fall bei schwachem Magen. 🤢
    Viel Spaß weiterhin und tolle Eindrücke!

  2. Was für ein besonderer Tag für Euch. Schön, dass ihr Euch den Flug gegönnt habt und wieder gut gelandet seid😉
    Herzlichen Glückwunsch zum 17. Hochzeitstag 🍾 auch von uns aus der Heimat. 😘
    Was hatten wir damals ein schönes Fest. Fühlt Euch gedrückt. Ich habe Euch lieb🥰

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