Road closed. Ein solches Schild finden wir am Gatter vor, das die Piste zur Halligan Bay und dem einzigen Zugangsweg zum nördlichen Teil des Lake Eyres abriegelt. Schade. Wir wären wirklich gerne bis ans Ufer des Sees gefahren und hätten unser Lager dort aufgeschlagen. Die Wassermassen, die zur Zeit von Norden zum tiefsten Punkt Australiens drängen, haben uns auf unserer Reise einige Umwege beschert, doch sie füllen auch den Lake Eyre mit Wasser. Ein Ereignis, das es in dieser Form nur alle 50 Jahre gibt und dieses Schauspiel hätten wir uns natürlich gerne aus der Nähe angesehen.
Im Roadhouse in William Creek bringen wir in Erfahrung, dass die Straße geschlossen wurde, weil es einfach noch zu heiß sei. Trevor, der Besitzer des Roadhouses zuckt entschuldigend die Schultern. Anna Station, die größte Rinderfarm der Welt, habe den Schlüssel für das Tor und sie entscheiden, wann die Straße geöffnet werde und wann nicht. Darauf habe er keinen Einfluss. Dann sieht er aus dem Fenster und deutet auf unseren Wagen. „Gehört der Hilux da zu Euch?“ Als ich nicke, meint er zu meiner Verwunderung, dass es dann wohl kein Problem sei. Ich verstehe zwar nicht ganz, was diesen Sinneswandel bewirkt hat, doch offenbar hat er uns als ausreichend gerüstet für diese Gegend eingestuft. Trevor bietet uns daraufhin an, bei der Anna Station anzurufen, damit diese das Tor aufschließen. Auch das ist kurios. „Road closed“ scheint in diesem Fall also eher relativ zu sein und nur für „echte“ Touristen zu gelten, die keinen Hilux fahren.. ? Uns soll es egal sein und wir freuen uns, als wir uns schließlich doch noch auf den Weg zur Halligan Bay und zum Ufer des Lake Eyre machen können.
Beim Hinausgehen folgt uns eine der Angestellten im Roadhouse mit ernster Miene mit den Augen. „Safe travels“, ruft sie uns hinterher. Dort draußen seien bereits Touristen verdurstet. Wir ahnen, wen sie mit dieser Andeutung meint: Caroline Grossmüller irrte im Dezember 1998 durch die glühend heiße Wüste, um sich und ihren Partner zu retten. Das Paar war mit dem Geländewagen im Sand stecken geblieben und konnte sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien. Im Hochsommer kommt absolut niemand in diese Gegend und die beiden konnten nicht auf Hilfe hoffen. Als das Wasser knapp wurde, begab sich Caroline auf diesen gnadenlosen Marsch, um den Oodnadatta Track zu erreichen. 60 Kilometer lagen dabei vor ihr, von denen sie immerhin über die Hälfte bewältigte. Während wir durch diese verdorrte Einöde rumpeln, sind wir in Gedanken bei der jungen Frau. Es ist unvorstellbar, dass sie durch diesen Wahnsinn lief, ohne Hoffnung darauf, Wasser, oder auch nur ein wenig erleichternden Schatten zu finden. An ihr Schicksal erinnert heute ein Denkmal, das zugleich ein Mahnmal ist…
Salz bricht unter meinen Füßen. Vor mir liegt ein gleißend, weißes Nichts, das sich schier unendlich bis zum Horizont erstreckt. Von weitem sieht die Oberfläche des Salzsees vollkommen glatt aus. Doch wenn man auf ihm läuft, sieht man erst, dass er von einem herrlich chaotischen, ringförmigen Muster überzogen ist, dessen Anordnung niemand berechnen könnte. Der Salzsee sieht aus wie ein überdimensionaler Kuchen mit Zuckerguss. Ich bin zwar noch nie über einen Kuchen spaziert, aber es hört und fühlt sich wahrscheinlich genauso an, wenn die Schuhe die Kruste durchbrechen und in den weichen Schlamm darunter einsinken. Deswegen kann ich nicht anders, als die ganze Zeit an eine riesige Stachelbeertorte mit Baisé zu denken, was es nicht unbedingt einfacher macht, bei der Hitze über diesen See zu stapfen. Es mag jedoch auch daran liegen, dass wir nun seit beinahe zwei Wochen keinen richtigen Supermarkt mehr von innen gesehen haben und die Vorräte langsam knapp werden.
Zudem ist es ein seltsames Gefühl, über die gleißende, trockene Ebene auf den Horizont zu zu laufen, die so hell ist, dass es trotz Sonnenbrille in den Augen schmerzt und genau zu wissen, dass sich dort hinten eine Flutwelle auf uns zu bewegt. Leider ist die Wasserfront viel zu weit entfernt, als dass wir sie zu Fuß erreichen könnten. Sehr schade. So können wir uns nur vorstellen, dass hier in wenigen Tagen alles unter Wasser stehen wird und in dieser lebensfeindlichen Umgebung das Leben nahezu explodiert. Die Fluten werden die Spuren verwischen, die meine Wanderschuhe in diesem Moment noch in dem rauen Gesicht des Lake Eyre hinterlassen. Doch dafür werden Vögel aus dem gesamten Land, ja sogar aus China und Japan hierher kommen und die Pelikane werden Hochzeit halten…
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Das klingt so unglaublich!!! Was für ein Zufall dass ihr genau jetzt da seid, um das zu erleben 🙂
Wir senden euch viele (approbierte!!) Grüße aus Florida. Komplettes Kontrastprogramm zu euch… Sarah