Es ist heiß, 28 Grad und staubig. Ich räume das Lager zusammen, Christian bringt Starlink an den Start, damit wir hier draußen in der Einsamkeit wenigstens kurz Kontakt zur Außenwelt haben. Ich räume gerade den Grillwürzer und die scharfe Steaksauce vom Tisch, als eine Email auf meinem Handy aufpoppt. Der Nationalparkservice schreibt uns. Klar. Für die nächsten Tage haben wir noch so einige Permits; also wissen die, dass wir hier in der Gegend sind. „Winter Weather Alert“ sagt die Überschrift in großen Lettern. Wie bitte? Das soll ein Scherz sein, oder?
Verwundert überfliege ich den Text. Es soll einen massiven Temperatursturz geben. Minus 7 Grad sind angesagt und es sollen mehrere „inch“ Schnee fallen. Von einer Tour in das einsame Backcountry des Grand Canyon wird dringend abgeraten. Ich will es nicht wahrhaben. Gerade auf die Fahrt zum Nordrand des Grand Canyon, für die man ebenfalls eine Erlaubnis im Vorfeld beantragen muss, hatte ich mich sehr gefreut. Doch für Christian ist die Sache klar. Wir werden doch nicht dort draußen irgendwo vom Track abkommen und im Schnee stecken bleiben. Mist. Er hat Recht.
Leider bedeutet es auch das Aus für diese Region. In die Vermillion Cliffs sind wir über eine abenteuerliche Lehmpiste gelangt, die sich bei Trockenheit zwar gut befahren lässt, sich bei kräftigem Regen aber in ein Inferno aus Schlamm verwandelt. Davon zeugen die tiefen Spuren, die überall in die Piste gefahren sind, weil sich andere Kollegen mit ihren Fahrzeugen im Match festgefahren haben. Morgen Abend geht das Unwetter los.
Zähneknirschend packen wir am nächsten Tag alles zusammen, fahren auf die Teerstraße zurück und pumpen die Reifen wieder hoch. Zum Abschied unternehmen wir noch eine letzte Wanderung zu den Toadstools Hoodoos, fragile Säulen aus Lehm, die einen riesigen Felsen als Kopfbedeckung tragen und über die Zeit aus dem Lehm ausgewaschen wurden. Fasziniernd und auf groteske Weise passend. Auch sie zeugen davon, dass es in dieser Gegend richtig kräftig regnen kann. Sonst wären sie nicht entstanden.
Dunkle Wolken ziehen über den Himmel, als wir zum Auto zurückkehren. Dann fallen die ersten Regentropfen und wir starren ungläubig auf die Windschutzscheibe. Das gibt es doch nicht. Bestimmt schauen wir genauso erstaunt drein, wie die Kinder in San Pedro de Atacama, die das erste Mal in ihrem Leben Regen gesehen haben. In dieser wahnsinnig trockenen Wüste in Chile regnet es nur alle 15 Jahre und natürlich ausgerechnet, als wir damals da waren…
Uns bleibt auf jeden Fall nichts anderes übrig, als die Flucht nach Süden anzutreten. Aktuell befinden wir uns auf 2200 Meter Höhe und hier wird es sicher auch ungemütlich. Doch natürlich kommen wir heute nicht mehr allzu weit. Durch Übertreten der Staatsgrenze nach Arizona erreichen wir mal wieder eine neue Zeitzone und nun wird es bereits um 17:45 Uhr dunkel. Wir stellen uns auf den Parkplatz eines National Monuments, ziehen die dicke Außenhülle über die Kabine und den Kopf ein. Denn mit der Dunkelheit kommt auch der Sturm. Wir hören ihn von Weitem heranbrausen, rasch an Stärke gewinnen und dann prallt er mit Wucht gegen unser Außenzelt. Das Auto schaukelt, der Stoff flattert, während die Sturmböen wieder und wieder gegen unsere Kabine krachen. Dann folgen dicke Regentropfen, die sich rasch in eine Sturzflut verwandeln und gegen unser Zelt gepeitscht werden. Dabei fühlen wir uns, als säßen wir in einer Waschstraße fest. Die ganze Nacht tobt und wütet das Unwetter. Und als es endlich hell wird und ich glaube, das Schlimmste überstanden zu haben, tut es einen Schlag und ich sitze senkrecht im Bett. Dem Knall folgt ein ohrenbetäubendes Grollen, Blitze erhellen die Kabine und Hagel trommelt auf uns herab. Nun kommt auch noch der versprochene „Thunderstorm“. Ist das zu fassen?
Als wir uns dann aus der Kabine trauen, sieht die Welt um uns herum vollkommen verändert aus: Schnee liegt auf den Berghängen, überzieht das Auto. Ja, wir können sogar einen kleinen Schneemann bauen. Zudem ist es empfindlich kalt geworden, die Temperatur ist auf 2 Grad gefallen. Hastig holen wir die dicken Jacken aus der hintersten Ecke hervor – seit Neufundland haben wir sie nicht mehr getragen. Sind wir nicht gestern noch im T-Shirt gewandert? Sind wir durch ein Wurmloch direkt in den Sturm gefallen, oder was? Denn es blitzt, schneit und stürmt. Die Straßen sind verschneit, über den Himmel jagt schwarzes Gewölk und es will gar nicht richtig hell werden. Den Grand Canyon können wir uns nun endgültig aus dem Kopf schlagen. So viel ist klar. Wir werden unsere Reise also schleunigst gen Süden und in Richtung Phoenix fortsetzen. Dort sind knappe 40 Grad angesagt und nachts fällt die Temperatur nicht unter die Mittzwanziger. Dorthin sollte uns der Schneesturm wohl nicht folgen können… 🙂
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