Anderstouren

Plastikwelten

Wir sind jetzt vom äußersten Norden Neufundlands bis Hamilton 3000 Kilometer gefahren und haben die Metropolen Halifax (oh ja!), Québec, Montréal und Toronto durchquert. Es ist auch deutlich wärmer geworden, sodass wir die kurzen Sachen wieder rausgeholt haben. Außerdem ist uns aufgefallen, dass es in Tankstellen und kleineren Läden kein Stück Obst, kein Brot oder frisches Gebäck zu kaufen gibt. Dafür gibt es aber jede Menge Plastik: In Plastik eingeschweißte Kuchen und Kekse, gigantische Chipstüten und Gummibärchen in Plastiktonnen, die bei uns als Farbeimer durchgehen würden. Oder es gibt gleich parfümierten Zucker in den Geschmacksrichtungen Sweet Banana, Birthday Cake, oder Wild Berry, den man sich in Plastikröhrchen abfüllen und dann direkt in den Mund schießen kann…

Gut, dann versuchen wir eben, bei Tim Hortons ein frisches Teilchen zu bekommen. Tim Hortons ist die größte kanadische Fastfoodkette und mit 6000 Filialen gibt es sie tatsächlich an jeder Autobahnausfahrt. Tim Hortons, von den Kanadiern kurz „Timmy“ genannt, war ein bekannter Eishokeyspieler, der 1964 seinen ersten Donutladen eröffnete. Er starb bereits zehn Jahre später bei einem Autounfall; seine Donuts werden weiterhin millionenfach verkauft. Erst beim dritten Anlauf gelingt es mir, eine Bestellung aufzugeben: In den anderen beiden Filialen waren die Schlangen so lang, dass ich schlicht nicht dran gekommen bin. Die Backwaren fallen im Test allerdings direkt durch: Sie sind weder frisch noch lecker, sondern vor allem fettig und extrem süß. Selbst der Muffin ist mäßig. DIe Kaffeespezialitäten kann jedoch gut trinken. Der Plastikbecher wird gleich mitgeliefert, liebevoll mit Timmys Handschrift und einem kanischen Ahornblatt verziert.

Am Straßenrand entdecken wir riesige Plastikfiguren, die unsere Aufmerksamkeit erregen und halten verblüfft an. Was ist das? Da stehen Pferde, Kühe, Hunde, Schafe in Lebensgröße, aber auch ein Elch und ein Dinosaurier. Wer stellt sich so etwas bitte in seinen Vorgarten? Doch dann dämmert mir, dass die Figuren nicht für den Privatmann gedacht sind. Ben Lalen verkauft diese Plastikskulpturen an verschiedenen Läden. Die Pommestüte in der Größe eines Kleinlasters, die überdimensionale Eistüte und der hüpfende Donat gehen allesamt an Imbissbuden. Das leuchtet ein. Aber welche Zahnklinik stellt sich denn diesen montrösen Zahn auf den Parkplatz, der dazu noch ziemlich verbeult und schief aussieht? Das ist doch eher eine Antiwerbung, oder? Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein renomiertes Fischrestaurant seine Fassade mit einem tanzenden Hummer und einem Seelachs in der Größe eines Schweinswals ziert. Noch weniger erschließen sich mir der Dino (gibt es hier einen Jurrassicpark ??), der Obelix und das lässige Schaf, das breitbeinig auf einem Stuhl sitzt. Also sind sie doch für einen Liebhaber, der in seinem Garten bereits eine ganze Sammlung von Bens Figuren hat? Doch wahrscheinlich geht es einfach nur darum, Aufmerksamkeit zu erregen. In einer Großstadt, in der ohnehin alles bunt und laut ist, muss die Werbung entsprechend grell sein. Man muss sich wahrscheinlich mindestens einen Dinosaurier und einen Obelix vor den Laden schieben, damit man in der Masse überhaupt bemerkt wird…


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