Anderstouren

Auf eigene Faust & immer der Nase nach!

Ein eisiger Wind pfeift um die Exkab – wieder einen Abend, den wir in der Kabine verbringen müssen. Die Temperaturen sinken mittlerweile bis auf 7 Grad und nachts läuft regelmäßig die Heizung. Wenn mir zu Beginn des Urlaubs jemand gesagt hätte, dass ich die ganzen warmen Klamotten noch brauchen würde, ich hätte es glatt nicht geglaubt! Ja, manchmal habe ich sogar zwei Pullover und zwei Hosen an, weil man es sonst im eisigen Wind nicht aushalten kann. Wohin sind wir nochmal geflogen? Nach Australien? Hm – fühlt sich irgendwie nicht so an. Die Küste ist schön und das Wetter definitiv kühler – aber auf die Dauer ein wenig zu kühl für unseren Geschmack. Der Winter wartet schließlich zu Hause schon wieder auf uns. Auch für die nächsten Tage sind nur dicke Wolken und Regen angesagt und die Sehnsucht nach der Wärme im Outback wächst…

Irgendwann halten wir es dann nicht mehr aus und fahren doch wieder nach Norden. Die Canning Stock Route ist aus Zeitgründen natürlich inzwischen unerreichbar für uns (wir haben immerhin nur drei Wochen Urlaub). Aber in der Nähe des winzigen Goldgräber Städtchens Laverton gibt es noch einige unbekannte Tracks, die uns parallel zum Anne Beadell Highway mitten ins Nichts führen. Der Anne Beadell Highway ist eine sandige Fahrspur, die über 1300 Kilometer durch die einsamste Gegend Australiens führt. Es war eins der größten Abenteuer der letzten Reise diesen Track zu bezwingen und nun soll die Strecke, die wir uns dieses Mal vorgenommen haben, noch einsamer und abgelegener sein?

Etwas mulmig ist uns dabei schon zu Mute, denn das einzige, was wir über diesen Pfad wissen ist, dass er auf unserer Karte existiert und das war’s auch schon. Wir haben keine Ahnung von dessen Beschaffenheit, ob es ihn überhaupt noch gibt und was uns dort erwarten wird. Er hat keinen großen Namen, es gibt keine Trackbeschreibung oder legendäre Geschichten über die Route. Es ist einfach nur ein Track durch den Busch, erkennbar an der winzigen gestrichelten Linie auf unserer HEMA-Map. Wir brüten lange über den Karten, überlegen und diskutieren. Doch am Ende siegt die Neugier und uns reizt das Unbekannte. Es ist das erste Mal, dass wir auf eigene Faust durch das Outback fahren, also keinem zuvor beschriebenen Track folgen. Dieses Mal folgen wir nur unserer Nase und unserem Bauchgefühl.

Die erste freudige Überraschung ist gleich der Beginn: Denn der Weg existiert!! Großartig, dann kann das Abenteuer ja los gehen. Wir verbringen die Nacht im Busch, um uns dann am nächsten Morgen mit frischen Kräften auf den Weg ins Unbekannte zu machen. Ich beuge mich konzentriert über das Tablett, auf dem unsere Offroad Navigation läuft. Doch für dieser Strecke gibt es keine GPS-Koordinaten und ich habe den Weg nicht von zu Hause aus vorgetrackt… Meine Fähigkeiten als Navigator sind also richtig gefragt und so lotse ich Christian durch den Busch. Die Temperatur ist auf angenehme 30 Grad gestiegen und nun fühlen wir uns auch wieder, als wären wir in Australien. Die rote Erde wird von goldenem Spinifex bewachsen und prächtige Gum-Trees säumen den Pfad. Ab und an passieren wir einen roten Felsen und genießen die schöne Natur und die Einsamkeit. Nur einmal begegnen wir einem anderen Fahrzeug, ein altes Buschtaxi, in dem ein älteres Aborigine-Paar sitzt. Wahrscheinlich ist ihnen auf dieser Strecke noch nie ein Weißer begegnet und schon gar nicht ein Linkslenker mit einem Deutschen hinter dem Steuer. Kein Wunder, dass die beiden uns völlig perplex anstarren.

Am Abend schlagen wir auf einem Spinifexfreien Platz unser Lager auf. Es gibt dort jede Menge trockenes Eukalyptusholz und Christian schürt sogleich ein Feuer. Ich lasse es mir natürlich nicht nehmen und bereite einen Brotteig vor, den wir in unserem gusseiserneren Topf auf der Glut backen. Auch die Steaks brutzeln wenig später über der Eukalyptusglut, wie sich das für ein echtes „Outbacksteak“ gehört. Beides schmeckt einfach köstlich, was auch an der laufen Luft liegen mag, die herrlich warm und würzig nach dem Eukalyptusfeuer duftet. Dann lehnen wir uns in unseren Stühlchen zurück und schauen in die Sterne. Nirgendwo sind sie so klar und leuchtend wie hier draußen, während das Feuer knackt und die Grillen zirpen…

Am nächsten Morgen geht es dann weiter. Wir verlassen unseren Track und damit auch den parallel verlaufenden Anne Beadell Highway in Richtung Süden und dringen damit in noch unbekannteres Gebiet vor. Der Track wird auch prompt haariger. Er ist einige Male ziemlich zugewachsen, wir müssen über Steine klettern und über viele Kilometer fahren wir Tiefsandpassagen. Trotzdem haben wir immer noch das Gefühl, dass wir gut voran kommen. Das ändert sich schlagartig, als eine winzige, völlig unscheinbare Piste nach Süden abzweigt, während wir weiter nach Westen fahren müssen. Dabei scheint es, als hätte diese Piste unseren Track geklaut, denn auf einmal ist er nicht mehr als eine schwache Spur im Sand. Kein Zweifel: Diesen Weg ist schon lange, sehr lange niemand mehr gefahren! Die Orientierung wird nun zur Herausforderung, da der Track immer wieder verweht ist. Außerdem ist der Busch hier komplett niedergebrannt und wir fahren durch ein Weltuntergangs-Szenario: Aus dem trockenen Sand ragen verkohlte Äste hervor, die daran erinnern, dass hier mal etwas gelebt hat. Doch so weit das Auge sehen kann, gibt es kein Grün, nur Trostlosigkeit und Zerstörung. Zu allem Überfluss türmen sich mal wieder dunkle Wolken am Himmel, was der Dramatik der Szenerie den letzten Schliff und mir beinahe den Rest gibt. Im Norden scheint es zudem heftig zu regnen. Also müssen wir sehen, dass wir Strecke machen, um dem Unwetter zu entkommen. Dummerweise kommen wir auf diesem Terrain aber kaum noch voran: Immer wieder liegen die verkohlen Stämme über der Fahrspur, deren Äste mit Vorliebe unseren Lack zerkratzen, wenn wir uns an ihnen vorbei zwängen und einige Male denken wir, dass es nun mit Sicherheit nicht weiter geht. Aber irgendwie finden wir die vergessene Piste dann doch wieder und so bahnen wir uns gefühlt Zentimeter um Zentimeter unseren Weg durch den Busch.

Unser Ziel: Eine deutlich größere Piste, auf der wir hoffentlich zügiger zurück in die Zivilisation kommen können. Doch im Moment sind wir mitten im Nichts: 400 Kilometer sind es nach Laverton, Leonora und Kalgoorlie sind genauso weit entfernt. Also müssen wir uns irgendwie durchschlagen. Dabei halten wir die Tanknadel wachsam im Auge. Sind wir erst einmal 600 Kilometer gefahren und es ist immer noch kein Ende in Sicht, dann müssen wir umkehren, weil sonst der Sprit für den Rückweg nicht mehr reicht. Wir zählen die Kilometer und hinter jeder Wegbiegung heißt es wieder Daumen drücken. Doch am späten Abend kommen wir dann endlich an jene Kreuzung, der wir seit Stunden entgegen gefiebert haben. Wir schlagen unser Lager in einer Creek mit alten Eukalypten auf. An ein Lagerfeuer ist heute Abend allerdings nicht zu denken, denn das Gewitter treibt einen Sturm über das Land und über das düstere Firmament zucken Blitze. Wir ziehen also das Außenzelt ein, um die Kabine vor dem Unwetter zu schützen und machen einfach das Beste daraus: Raclette bei Kerzenschein, während der Sturm heult und der Donner tobt…

Am nächsten Morgen ist der Himmel wieder unschuldig blau. Die Gewitter sind tatsächlich an uns vorbeigezogen. Wir können unseren Weg fortsetzen und erreichen dann wirklich eine breitere Piste, die uns nach Kalgoorlie bringt. Mit Tempo 80 fahren wir nun durch den Busch und trotzdem brauchen wir Stunden, bis wir die Hauptstadt der Goldfields erreichen. Über 400 Kilometer sind wir dort unterwegs und auf der gesamten Strecke passieren wir nicht eine Ansiedlung, ja nicht einmal ein Haus. Da wird uns erst richtig klar, in welcher Einöde wir uns die letzten drei Tage befunden haben. Dort draußen gibt es einfach nichts und diese Straße hier gibt es nur, weil sie zu irgendeiner Mine führt. Deswegen jubeln wir, als wir das Ortsschild von Kalgoorlie passieren. Wir haben es wirklich geschafft, einfach quer durch den Busch zu fahren und uns unseren eigenen Weg zu suchen. Ein besonderes Abenteuer und wir dürfen gar nicht daran denken, wie viele dieser namenlosen Tracks es im Outback noch gibt, die alle nur darauf warten, entdeckt zu werden…

Ein Kommentar

  1. Hallo ihr beiden😄
    Ihr seid ja wirklich mutig. Bei eurer letzten Geschichte mit dem Salzsee ist mir ja schon ganz Bange geworden aber jetzt auch noch die eigene Route zu suchen und weit und breit kein Mensch außer euch… meine Hochachtung. Aber ich merke schon, ihr habt besondere Schutzengel, die auf euch aufpassen.
    Genießt eure Zeit!🤗

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