Anderstouren

Bilby, Osterhase und Oschterhäsli

Der Tag beginnt damit, dass eine Milchtüte in unserem „Keller“ platzt. Wenn sogar H-Milch schlecht wird, dann müssen die Wetterbedingungen echt unmenschlich sein. Es hilft nichts. Wir müssen die Box komplett ausräumen und schrubben, denn bei 42 Grad ist saure Milch nicht gerade ein olfaktorischer Genuss. Alle mit Milch vollgesogenen Verpackungen, Klorollen und Haushaltstücher müssen wir zudem auf einem eigens dafür entzündeten Feuer verbrennen. Denn wenn es schlecht läuft, ist die nächste Mülltonne einige hundert Kilometer entfernt.

Heute fahren wir die letzten Kilometer auf der Canning Stock Route und unsere Pechsträhne scheint anzuhalten. Der Track ist derart zugewachsen, dass wir uns meterweise durch den Busch kämpfen müssen und nur noch mit eingeklappten Spiegeln fahren können. Äste kratzen tiefe Spuren in unseren Lack und zum Teil fühlen wir uns, als würden wir die Piste gerade selbst neu erkunden. Einmal fahren wir in eine Fahrspur hinein, die wir für den richtigen Weg halten, doch sie verengt sich zum einem tief in den Sand gegrabenen Kanal, bis unsere beiden Wagen beinahe stecken bleiben. Kein Zweifel. Hier geht es nicht weiter. Also müssen wir einige hundert Meter rückwärts fahren, sehr zum Verdruss unserer Reifen, die immer wieder gegen Felsen schlagen, die aus den steilen Wänden ragen.

Ab Well 31 tritt der Busch zurück und wir können wieder ein Tempo wählen, dass sich wie „fahren“ und nicht wie „kriechen“ anfühlt. Prompt ist die Strecke mit Wellblech der ganz bösen Sorte überzogen und wir werden mal wieder ordentlich durchgeschüttelt. Christians selbstgebauter Sandflaggen-Halter hält dem leider nicht stand und macht vier Kilometer vor Schluss die Biege. Wir sind ähnlich geknickt wie der Halter, als wir die Flagge vom Dach nehmen. Die Sandflagge hat auf der Canning einen wirklich guten Job gemacht. Im dichten Busch ragte manchmal nur die Fahne aus den Sträuchern und so konnten wir das andere Fahrzeug immer noch sehen. Einmal kam uns zudem tatsächlich ein anderer Konvoi entgegen, den wir zwar über Funk schon hören konnten, den wir aber auch durch die Flagge rechtzeitig gesehen haben. Auf einer einspurigen, völlig zugewachsenen Strecke ist es dann wirklich ein Kunststück, einen geeigneten Platz zu finden, an dem die Fahrzeuge aneinander vorbei fahren können.

Als wir die Sandflagge auseinander schrauben und in den Alkoven schieben, fühlt es sich tatsächlich so an, als wäre das große Abenteuer „Canning Stock Route“, kurz „CSR“, nun vorbei. So ist es dann leider auch, denn wenig später kommt bereits die Abzweigung in Sicht. Aber natürlich jubeln wir, als wir das verbogene Schild erreichen. Wir haben die berühmte Canning Stock Route befahren und von einer explodierten Milch, dem Halter und ein paar Kratzern abgesehen, haben wir sie ohne große Schäden überstanden. Wenn das nicht ein Grund ist, die Fäuste zu recken…

In Kunawarritji wollen wir uns eigentlich für unsere Heldentat belohnen und gnadenlos Schokolade und Eis einkaufen. Außerdem brauchen wir nach beinahe 1000 gefahrenen Kilometern dringend Sprit. Doch es ist Ostersamstag und wir machen uns schon ein wenig Sorgen, ob die einzige Tankstelle weit und breit überhaupt geöffnet hat. Als wir auf die trostlosen Gebäude der Aborigine Gemeinde zu fahren, sinkt uns der Mut. Die Zapfzäulen sind in einer Baracke untergebracht und natürlich ist kein Mensch zu sehen. Ich gehe etwas ratlos um das Gebäude herum und erreiche auf diesem Weg einen Hinterhof. Die Häuser, die Menschen und die Hunde wirken verlaust und ungepflegt. Es stinkt, Autowracks und Müll liegen herum. Doch der Laden, den ich hinter einer vergitterten Tür vorfinde, hat tatsächlich geöffnet. Der Tankwart, ein Weißer, 68 Jahre, mit etwas zu schwarz gefärbten Haaren, begleitet mich zu den Zapfsäulen und erzählt mir dabei stolz, dass er ein bekannter Karaokesänger sei. Zumindest glaube ich, dass er das gesagt hat, denn sein genuschelter Slang ist wirklich kaum zu verstehen. Während er den Sprit in den Tank rauschen lässt, beginnt er auch prompt einen Hit der Country-Legende Johnny Cash zu schmettern. Also werde ich ihn wohl doch richtig verstanden haben. Den Rest lasse ich an dieser Stelle besser unkommentiert.

Zurück im Laden muss ich enttäuscht feststellen, dass die Preise nicht nur astronomisch hoch sind (eine Flasche Wasser kostet 5 Dollar), die Regale sind auch überwiegend leer. Die Joghurts sind abgelaufen und die Fleischauswahl, eingefroren im September 2018, wirkt genauso verkommen wie der Rest dieses Etablissements. Schade. Die große Shoppingtour muss also ausfallen. Leider bekomme ich auch keinen Osterhasen, oder noch besser einen Bilby. In Australien hat der gute Osterhase nämlich beinahe ausgedient und zu Ostern kommt jetzt ein Kaninchennasenbeutler, der Bilby. Das 50cm große Beuteltier ist in Australien zu Hause, während das Kaninchen genauso eingeschleppt wurde wie der europäische Osterhase und längst zur Plage geworden ist. So erfreut sich der Bilby unter den Kids großer Beliebtheit. Ich trotte hingegen mit hängendem Kopf zum Auto zurück. Wir werden am Ostersonntag weder noch haben..

Doch wer braucht schon prall gefüllte Regale in einem Shop mitten im Nirgendwo, wenn er mit zwei Schweizern das Osterfest verbringt? Pia backt am Abend fleißig „Oschterhäslis“ aus Hefeteig, die dann am Ostersonntag auf dem Frühstückstisch stehen. Natürlich gibt es auch Schokoladeneier von Lindt und wir lassen es uns nicht nehmen, gekochte Eier mit Buntstiften zu bemalen. Unter den selbst geschaffenen Kunstwerken finden sich Kängurus, Koalas, eine Echidnaähnliche Kreatur und ein Ei mit der Aufschrift „CSR 2019“! Es ist beinahe zu schade, sie zu essen. Aber hier draußen in der Einöde können wir uns einen solchen Luxus natürlich nicht leisten und so werden sie doch verputzt. 😉

Unser letztes gemeinsames Frühstück am Ostersonntag

Mit dem herrlichen Osterfrühstück endet dann auch leider die Allianz von Lux und Landy. Pia und Felix wollen weiter gen Norden, während wir nach Süden fahren werden. Der Abschied fällt uns nicht leicht, haben wir uns doch in den letzten sieben Tagen ziemlich aneinander gewöhnt. Schön war’s und wir hoffen doch sehr, dass sich unsere Weg wieder einmal kreuzen werden, ganz egal ob in der Schweiz, bei uns daheim, oder sonst irgendwo auf diesem Planeten! To be continued…

Wenn ihr etwas mehr von den beiden und ihren Reisen lesen wollt, dann schaut doch einfach mal bei http://www.pifi.ch vorbei.

2 Kommentare

  1. Ihr Lieben, da musste ich wieder so lachen beim lesen! Echt super geschrieben. Es war ein Highlight mit euch auf der CSR und wir vermissen die gemeinsamen Tage bereits. Ganz bestimmt werden wir uns wiedersehen! Macht’s gut!

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