Das ist doch eine komische Sache mit der Zeit. Zuhause leben wir nur danach, stellen den Wecker, haben Termine. Hier schauen wir manchmal den ganzen Tag nicht einmal auf die Uhr, haben keine Ahnung, welcher Tag heute ist, oder gar welches Datum. Es ist einfach nicht wichtig. Das heißt aber nicht, dass wir einfach in den Tag hinein leben. Nein, ganz im Gegenteil. Wir haben hier in vielerlei Hinsicht einen geregelteren Tagesablauf als daheim.
Wir stehen zum Beispiel immer zur selben Zeit auf. Mit der Uhrzeit hat das allerdings wenig zu tun, denn die ändert sich hier ohnehin fast täglich. In Western Australia sind wir um 5:30 Uhr aufgestanden, in South Australia war es dann auf einmal 8:00 Uhr und in Victoria lagen wir gleich noch eine halbe Stunde länger in den Federn. Im Northern Territory „mussten“ wir hingegen wieder um 7 raus und hier in der östlichen Zeitzone Western Australias dürfte es 6:15 Uhr sein, denn wir hätten die Uhr eine Dreiviertelstunde (!) vor stellen müssen. Haben wir aber nicht. Wie gesagt, die Uhrzeit spielt keine Rolle. Wir stehen auf, wenn die Sonne aufgeht.
Hier im Busch leben wir nach dem Takt, den uns die Natur vorgibt und wir haben auch gar keine andere Wahl, als uns so gut wie möglich an diese Bedingungen anzupasssen. So ist es morgens noch herrlich kühl, aber die Fliegen kehren mit dem ersten Licht des Tages zurück und stürzen sich zu hunderten auf Dein Marmeladentoast. Deswegen frühstücken wir meistens in der Kabine, reparieren das ein oder andere, räumen auf. Dann bauen wir das Lager ab und fahren los.
Heute Morgen kommen wir aber nicht weit, denn wir entdecken eine bemerkenswerte Felsformation am Wegesrand, an der wir einfach anhalten müssen. Rote, rundgeschliffene Felsen von der Größe eines Kleinbusses bishin zu der eines Einfamilienhauses liegen in einem wunderschönen Chaos auf einem Haufen. Wer hat die überdimensionalen Fußbälle hier aufgeschichtet? Keine Ahnung, denn es gibt hier draußen keine Tafel, auf der der Name dieser Steine steht und deren Entstehung erklärt ist. Dabei wären sie der perfekte Touristenmagnet und jetzt klettern nur wir darin herum, schießen Fotos, bevor wir weiter fahren.
Am frühen Nachmittag meldet sich dann pünktlich der Hunger und wir machen eine Mittagspause. Wir rollen Allaq einfach von der sandigen Piste und fahren ihn unter eine große Akazie, die herrlichen Schatten spendet. Dort holen wir die Stühle raus, ruhen uns eine Weile aus und essen. Meistens gibt es Sandwich, doch heute haben wir noch Käse-Schinken Brötchen und Weintrauben übrig, was in dieser Einöde natürlich purer Luxus ist.
Nach der Mittagspause kommt die heißeste Zeit des Tages. Jetzt muss man fahren, weil man es nur bei Fahrtwind, oder bei laufender Klimaanlage aushalten kann. Die Sandy Blight Junction Road führt uns auf einer sandigen, roten Fahrspur über einige Dünen und dann wieder über weite Ebenen, die so Australisch sind, wie sie es nur sein können: Spinifexgras, Termitenhügel, Buschtomaten und Wüsten-Kasuarinen. Zudem flitzen immer wieder goldene Warane über den Weg und buddeln sich eilig im roten Sand ein, wenn wir vorbei kommen. Sie sehen genauso aus wie das tote Holz, das hier den Boden bedeckt und man kann sie nur allzu leicht mit einem Ast verwechseln.
Gegen Abend kommt dann das Fotolicht und das Land leuchtet in seiner ganzen Pracht. Die farbliche Mischung, die dabei entsteht, hätte kein Maler besser zusammenstellen können: Das Olivgrün der Büsche passt perfekt zu der terracottafarbenen Erde und dem ockergelben Gras und so schafft die Natur ein beeindruckendes Pastellgemälde. Nun ist es wirklich schwer, nicht an jeder Ecke anzuhalten und zu filmen. Gleichzeitig müssen wir aber auch einen Schlafplatz suchen. Meistens sind wir damit zu spät dran und die Sonne sinkt viel zu rasch. Heute werden ausnahmsweise einmal sehr zeitig fündig.
Wir stellen uns auf eine ebene Lehmfläche, auf der erstaunlich hohe Bäume stehen, deren Wurzeln so tief sind, dass sie das Grundwasser erreichen. Während ich das Lager aufbaue, hebt Christian eine tiefe Grube für das Lagerfeuer aus und zieht große Äste der abgestorbenen Bäume heran, die hier überall herum liegen. Dann sägt er mit seiner manuellen Kettensäge Feuerholz; eine Schweißtreibene Arbeit bei 36 Grad. Dafür brennt bald ein munteres Feuer, das erste Lagerfeuer dieser Reise. Das liegt jedoch nicht daran, dass wir bisher zu faul waren, Holz zu sammeln. Bisher haben wir einfach keinen sicheren Platz für ein Feuer gefunden. Zudem war offenes Feuer wegen der Buschbrandgefahr sowieso verboten. An jeder etwas größeren Straße wird das Feuerrisko auf digitalen Tafeln angezeigt und Verbotsschilder „Total Fire Ban“ gibt es zu Hauf. Das ist natürlich auch verständlich. Die Sammelpunkte in den Orten, an denen die Einwohner im Falle eines Buschbrandes evakuiert werden können, gibt es ja auch nicht umsonst.
Jeden Abend warten wir dann darauf, dass die Sonne sinkt. Denn mit dem schwindenden Licht verschwinden auch die Fliegen und wir können die Netze endlich abnehmen, ein herrliches Gefühl! Erst danach macht es überhaupt Sinn zu kochen und zu essen, denn ansonsten fressen die Fliegen nicht nur das Abendessen, sondern auch uns auf. Als der ersehnte Moment auch heute gekommen ist, haue ich eine beachtliche Menge Zwiebeln und zwei feine Steaks in die Pfanne. Dazu gibt es den Rest vom Salat, ein kühles Bier für Christian und eine kalte Cola für mich. Komisch, hier draußen schmeckt jedes Essen einfach nur köstlich. Wir essen im warmen Schein des Lagerfeuers und schauen den Flammen zu, die Funken in den Nachthimmel schicken und dann langsam herunter brennen. Christian spielt auf der Low-Whistle und ich lehne mich zufrieden zurück, schaue in die Sterne und denke wieder einmal: Die Nacht ist die beste Zeit des Tages!
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Heute Nacht wechseln wir quasi auch die Zeitzone mit der Uhr-Umstellung 😉 Liebe Grüße!
Oh toll, da konntest Du ja auch mal die Uhr umstellen. Wir haben inzwischen neun Mal an der Uhr gedreht.. Aber wenn Du bald in Island bist, musst Du Dich auch an eine neue Zeit gewöhnen. Wir wünschen Dir eine tolle Reise und schick uns etwas Kälte!! LG Sonja
Schön zu hören, dass Ihr Trevor entkommen seid und euren Urlaub genießt. Wir haben herrkiche Frühlingstage bei 18 Grad.
Liebe Grüsse Fabian