Anderstouren

So ein Kamel!

Die Sandy Blight Junction Road ist einer der schönsten Tracks, die wir je gefahren sind. Sie erfindet sich immer wieder neu und ist total abwechslungsreich: Von der Dünenlandschaft, über weite, kahle Ebenen bishin zum schattigen Hain. Wir sind hier jetzt drei Tage unterwegs und uns ist keinen Moment langweilig geworden. Außerdem sind wir die ganze Zeit keinem Menschen begegnet.

Dafür stoßen wir heute zum ersten Mal auf zwei wilde Kamele. Der Wahnsinn! Die Tiere wurden Ende des 19. Jahrhunderts nach Australien gebracht, um Lasten durch die Wüste zu transportieren. Als die Karawanen nach und nach durch den Schienenverkehr abgelöst wurden, hat man die Kamele einfach frei gelassen und sie fanden im Outback ausgezeichnete Lebensbedingungen vor. Heute ziehen 800.000 Tiere durch die Wüsten Australiens. Deswegen ist es doch verrückt, dass wir noch nie eines gesehen haben. Schon seit Tagen finden wir ihre breiten Hufabdrücke im Sand und dann stehen sie auf einmal vor uns: Zwei Dromedare haben den Schatten hoher Bäume aufgesucht. Als sie unser Auto sehen, stehen sie auf und traben mit langen Schritten davon. Wir haben keine Chance ihnen zu folgen und mir gelingt gerade noch ein Schnappschuss, bevor der Busch die beiden regelrecht verschluckt. Ich hätte nicht gedacht, dass Dromedare so scheu sind. Trotzdem war es aufregend, ihnen in freier Wildbahn zu begegnen.

Wilde Dromedare

Die Grenze zwischen Northern Territory und Western Australia ist in dieser Region keine Grenze zwischen Australischen Bundesländern; es ist eine Grenze zwischen den Territorien der Aborigines. Das machen zwei Schilder am Grenzübergang ganz deutlich. Es ist ihr Land! Als wir die Zufahrtstraße nach Tjukurla, einer Aborigine Gemeinde passieren, verwandelt sich die hübsche, verschlungene Piste in eine breit geschobene Schotterstraße. Eigentlich schade. Die letzten 70 Kilometer folgen wir dann dieser Autobahn ohne Teer.

Dabei fallen die zahlreichen Autowracks und -teile am Straßenrand auf. Ja, diese Straße gleicht einem Schrottplatz. Wir finden Reifen, Felgen, Stoßstangen, Auspufftöpfe und eine komplette Bullbar. Die verrosteten Wracks sind teilweise ausgeschlachtet, die Motorhaube steht offen und ihnen fehlen die Räder. Manche Wagen sind ausgebrannt, liegen auf dem Dach, oder auf der Seite und wir fragen uns wirklich, wie man fahren muss, um ein Auto in eine solch groteske Stellung zu bringen.

Autowracks am Straßenrand

Zwei Kilometer vor unserem Tagesziel sehen wir dann ein anderes Fahrzeug. Es ist ein Tanklaster mit Anhänger, der in einer Tiefsandpassage stecken geblieben ist und damit die ganze Straße blockiert. Christian bleibt cool, zieht unseren Wagen die sandige Böschung hinauf und manövriert uns somit an dem LKW vorbei. Nach dem Hindernis halten wir an und steigen aus. Der Fahrer versucht verzweifelt, seine 16 Reifen auszugraben, um wieder frei zu kommen. Das scheint der Ärmste schon eine ganze Weile zu versuchen. Die Sonne hat sein Gesicht übel zugerichtet und um sein verschwitztes, dünnes Haare schwirren hunderte von Fliegen. Wir erkundigen uns nach seinem Befinden, doch der Gute ist einfach absolut nicht zu verstehen. Dabei sind wir uns nicht ganz sicher, ob es an seinem krassen Akzent liegt, oder ob das unverständliche Genuschel ein Werk der gnadenlosen Hitze ist. Wir können nur deswegen erahnen, was er von uns wissen will, weil er sich glücklicherweise an die drei Australischen Standardfragen für Smalltalk hält (wo wir herkommen, wie lange wir bleiben und wo wir hin wollen). Seine eigene Situation interessiert ihn dabei nicht die Bohne. Er komme schon klar und unser Hilfsangebot schlägt er mit einem Schulterzucken und einem genuschelten „No worries“ in den Wind.

Also steigen wir wieder ein und fahren weiter. Keine 500 Meter später begegnen wir gleich dem nächsten Auto. Es ist ein normaler PKW, der Anlauf nimmt und dann mit Vollgas durch den Tiefsand rast. Wenn er stehen bleibt, bleibt er stecken. So viel steht fest. Aber muss er deswegen derart auf uns zu heizen? Der Fahrer macht überhaupt keine Anstalten, den Fuß vom Gas zu nehmen, oder nach links auszuweichen. Er schlingert und rutscht, hat keine Kontrolle mehr über seinen Wagen, während er in einer irren Geschwindigkeit über den Sand und auf uns zu stocht. So ein Kamel! Der fährt uns noch rein. Christian reagiert geistesgegenwärtig, reißt das Steuer herum und zieht Allaq gleich zum zweiten Mal die Böschung hinauf, sodass wir in eine irre Schräglage geraten. Im nächsten Moment schießt der Wagen haarscharf an uns vorbei. Verflucht, war das knapp. Der Fahrer ist ein Aborigine und es scheint ihm völlig egal zu sein, dass er uns beinahe gerammt hätte. Klar. In seinen Augen sind Autos nichts von Wert und versichert ist er ohnehin nicht. Also kann es ihm doch Wurscht sein, ob er uns einen ordentlichen Blechschaden verpasst. Vielleicht erklärt diese Einstellung den Autofriedhof auf dieser Straße.

In dieser Nacht stehen wir in einem Bergkessel, durch den sich eine felsige Schlucht zieht. An deren Ende hat sich ein Felsloch mit Wasser gefüllt. Die steilen Bergflanken schützen diesen magischen Ort von der sengenden Sonne und deswegen gibt es hier Wasser, mitten in der Wüste. Natürlich ist mir klar, dass die Tiere hierher kommen, um zu trinken. Trotzdem erschrecke ich mich zu Tode, als in dieser Nacht laute Schreie durch die Schlucht schallen, die unheimlich von der Felswänden verstärkt werden. Es klingt, wie ein vielfach lauteres Magenknurren, ein brünftiges Brüllen, gefolgt von einem wütenden Fauchen. Ich habe so etwas noch nie gehört und kann diese Laute absolut nicht einordnen. Christian meint, es seien die Kamele und damit hat er sicher Recht.
Ich lege mich kopfschüttelnd wieder hin. Was für ein Tag!

Bungabiddy Rockhole

3 Kommentare

  1. Tja, Kamele gibt es eben mit vier und mit zwei Beinen. 😉
    Die zweibeinigen sind dann wohl meist die unangenehmeren.
    Dafür schmecken die vierbeinigen besser. 😉
    Wie wär’s demnächst statt Kängurusteak mal mit Kamelsteak?

    Viel Glück bei der weiteren Fahrt und ich wünsche euch dabei mehr vierbeinige und weniger zweibeinige Kamele!

  2. Oh toll, Kamele! Ich wusste gar nicht, dass es welche in Australien gibt! Danke dafür, dass ihr diese Bildungslücke nun geschlossen habt 😉

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