Anderstouren

Ein Tag in Christians kleiner Autowerkstatt

Tag 3, Anne Beadell Highway, 8 Uhr: Der Morgen beginnt damit, dass wir eine Lache Diesel in der Schüssel vorfinden, die wir vorsichtshalber unter den frisch reparierten Tank gestellt haben. Es ist nicht viel, ein Pinnchen vielleicht, trotzdem. Wir setzen uns an den „Küchentisch“, diskutieren, machen uns diese Entscheidung nicht leicht. Wir könnten umkehren und nach Coober Pedy zurückfahren. Doch wir sind inzwischen so weit entfernt, dass es wahrscheinlich besser ist, die Reise fortzusetzen. Außerdem hat sich die Tropfmenge deutlich reduziert und der Treibstoffverlust ist schwindend gering. Zudem ist das Leck oben im Tank und so bald er noch etwas leerer wird, hat sich das Problem sowieso erledigt. Also weiterfahren.

Bald darauf folgen wir dem sandigen Track gen Westen. Wir fahren über Ebenen, die mit leuchtendem Spinifex bewachsen sind, durch Buschwerk und Bäume, die nicht australischer sein könnten, durch Dünenlandschaften und dann wieder über felsige Plateaus. Seit wir den Stuart Highway bei Coober Pedy verlassen haben, haben wir niemanden mehr gesehen. Die Gegend hier ist so einsam und so weit von jeglicher Zivilisation entfernt, dass sie sie in den fünfziger Jahren für Atomtests genutzt haben. Vielleicht ist das der Grund, warum es hier draußen fast keine Fliegen gibt. Oder den kleinen Biestern ist hier einfach nur zu langweilig, weil sich viel zu selten Menschen in diese Ecke verirren, die sie ärgern können.

12 Uhr: Dieser Track ist der „Spiegelkiller“. Die Bäume stehen so eng neben der Fahrspur, dass wir immer wieder Gefahr laufen, mit den Außenspiegeln dagegen zu schlagen. Also fahren wir nur noch mit eingeklappten Spiegeln. Die gute Anne muss zudem eine ziemlich aufbrausende Frau gewesen sein, denn der Highway, der ihren Namen trägt, ist tatsächlich eine Wellblechpiste vom Feinsten. Christian versucht, den harschen Wellen durch Pendelbewegungen auszuweichen, lenkt das Auto immer wieder die sandigen Flanken des Tracks hinauf, wenn sich uns kein Baum in den Weg stellt. Durch den dichten Bewuchs gibt es manchmal aber auch keine Umfahrungsmöglichkeit und dann krachen wir voll in die „Corrugation“. Alles klappert und wir werden durchgeschüttelt, als würden wir vor dem Strahl einer Massagebrause im Schwimmbad sitzen. Eine geringere Geschwindigkeit macht aber keinen Sinn, denn auf diesem Weg können wir das Wellblech wenigsten einiger Maßen „abreiten“.

Der Halter unseres Tabletts hält dem nicht stand. Irgendwann bricht er einfach ab und das Tablett, auf dem unsere Offroad-Navigation läuft, fällt auf meinen Schoß. Christian fährt unter den Schatten eines Buschs und sieht sich den Schaden an. Wir sind auf diese Art der Navigation angewiesen und ich kann das Gerät unmöglich die ganze Zeit halten. Also befestigt er den Halter kurzerhand mit Kabelbindern an der Lüftung. Nun hängt er zwar etwas schief und es sieht nicht mehr ganz so schnittig aus, aber ich kann damit wieder navigieren.

15 Uhr: Ich brutzele Würstchen und Hotdog Brötchen auf dem Toaster, Christian checkt das Auto. Der Tank tropft nicht mehr, dafür hat sich die Verkleidung des Radkastens vorne links gelöst, die Klammern sind gebrochen. Oh mann. Dieser Track scheint unseren Wagen in seine Einzelteile zu zerlegen. Das ist doch verrückt. Seit 65.000 Kilometern läuft unser Allaq ohne jegliche Probleme und nun haben wir eine Reparatur nach der anderen. Christian reinigt die Verkleidung und befestigt sie mit breiten Klebestreifen, damit wir sie nicht irgendwann verlieren. Sieht auch nicht unbedingt schnittig aus, hält aber.

Metallplakette von Len Beadell

16 Uhr: Ein metallisches Klirren und ein Quietschen begleitet uns jetzt schon eine Weile. Aber bisher konnten wir die Ursache dafür nicht finden. Wir halten an einer der historischen Metallplatten, die Len Beadell seiner Zeit am Wegesrand aufgestellt hat, um wichtige Informationen über seinen Track für den zukünftgen Reisenden festzuhalten. Ich mache gerade ein Foto davon, als Christian hinter mir erschrocken die Luft einsaugt und kurz darauf einen Fluch hören lässt. Was ist denn jetzt schon wieder? Ich eile zu ihm und dann sehe ich es auch: Eine der vier Ketten hat sich gelöst, die unsere Kabine auf dem Pickup halten. Ein Zwischenglied fehlt, wahrscheinlich ist es ebenfalls unter der enormen Belastung gebrochen. Also holt Christian wieder seine Werkzeugkiste hervor und befestigt die Kabine mit einem Spanngurt. Gibt es eigentlich irgendein Werkzeug, Flickzeug oder Ersatzteil, was er auf dieser Reise noch nicht gebraucht hat?

Abends finden wir für unser Lager einen schönen, Spinifexfreien Platz mitten im Busch. Die sinkende Sonne zaubert einen rosanen Gruß auf die Wolken, die sich wie flauschige Federn über den Himmel ziehen. Nach dem anstrengenden Tag gibt es gegrilltes Känguru und Thunfischsalat. Danach lehnen wir uns in unseren Sesseln zurück, ein Glas Whiskey-Cola und Baileys in der Hand und schalten das Fernsehprogramm ein. Auf Großleinwand läuft hier jeden Abend dasselbe: Ein funkelnder Sternenhimmel, über den ab und an eine Sternschuppe saust und eine helle Mondsichel, die langsam über das Firmament zieht. Dazu hören wir das Konzert der Grillen.

22 Uhr: Wir sind so richtig schön müde und ich klettere in die Kabine. Du liebe Güte. Ich torkel durch den Flur, kann kaum gerade stehen. Aber so viel Baileys habe ich doch gar nicht getrunken. Das ist auch nicht der Grund. Das Auto steht einfach total schief. So können wir unmöglich schlafen. Ich bitte Christian, den Wagen noch einmal auf eine geradere Stelle umzuparken. Er geht um das Auto herum und dann höre ich wieder dieses entsetzte Zischen und den Fluch, den ich für meinen Geschmack heute schon etwas zu oft gehört habe. Ich kann es kaum glauben, als er mir mitteilt, was los ist: Wir haben einen Platten!

Wenig später ist Christian wieder über und über mit rotem Sand verklebt und staubig, aber er rollt das Reserverad nach vorn. Tja, so ist das eben im Leben eines Automechanikers. Da gibt es auch mitten in der Nacht noch etwas zu tun. Das Auto sitzt direkt auf der Felge auf und das können wir unmöglich über Nacht so lassen. Im Schein unseres Arbeitsscheinwerfers setzt Christian also unseren Schwerlastwagenheber an und löst das vordere, rechte Rad, das in der Tat einen ziemlich platten Eindruck macht. Er wechselt den Reifen, während uns riesige Motten umschwirren, die ob des hellen Lichts in tiefer Nacht ganz aufgeregt sind und uns mit Vorliebe in den Nacken klatschen. Bald darauf hat Allaq einen brandneuen Vorderreifen und steht nun auch wieder gerade. Wir untersuchen das kaputte Rad und finden in der Innenseite ein Stück Holz, das sich wie ein Speer durch das Gummi gebohrt hat. Glück im Unglück. Der Reifen hat die Luft dadurch noch gut gehalten und an dieser Stelle lässt er sich ohne Probleme flicken.

Tag 4, Anne Beadell Highway, 8 Uhr: Der Morgen beginnt damit, Christian sein Reifenreparaturset hervorholt und den kaputten Reifen flickt.

Ein Kommentar

  1. Ach herrje! So viel kaputt! Hoffentlich hält jetzt alles!

    Ich sitze im Dunkeln und warte auf Polarlichter, aber sie wollen und wollen nicht kommen! 🙁

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