Mitte des letzten Jahrhunderts erforschte Len Beadell die einsamen Goldfields und schuf dort einige Wege, die auch heute noch seine Handschrift tragen. Er gilt als der letzte große Entdecker Australiens und jeder kennt hier draußen seinen Namen. Oft schlug er sich mit seinem Landrover allein durch den Busch und erkundete die Pfade, die uns heute als Tracks durch die einsamsten Ecken des Outbacks erhalten geblieben sind. Den Anne Beadell Highway benannte er nach seiner Ehefrau, wahrscheinlich weil sie wieder einmal auf ihn verzichten musste, während er Monate lang in der großen Leere zwischen Western Australia und dem roten Zentrum verschwand. Unter einem Highway habe ich mir natürlich immer eine mindestens vierspurige Autobahn, mit Tankstellen und Verkehrsstaus vorgestellt, doch damit hat der Anne Beadell Highway nur wenig gemeinsam.
Das Schild am Eingang weist daraufhin, dass man noch nicht einmal von einer Straße sprechen könne. Es sei ein Track, der mit Tiefsand, Dünen und Wellblech von der ganz üblen Sorte daher komme. Und wenn ein Aussie von „roughly corrugated“ spricht, dann will das wirklich etwas heißen. Die Bewohner des 5. Kontinents sind schließlich in Sachen Wellblech und Schotterpisten einiges gewöhnt. Doch das Beeindruckenste und zugleich Schwierigste an diesem Track ist seine Einsamkeit. Auf den nächsten 780 Kilometern gibt es keine Ansiedlung, ja nicht einmal ein Haus. Dann kommt das Roadhouse Ilkurlka, das angeblich abgelegenste Roadhouse Australiens. Laverton, die nächste Stadt erreicht man erst nach 1300 staubigen Kilometern. Eine solche „Remoteness“ findet man nur noch auf einer weiteren Strecke in Australien: Auf der berühmten Canning Stock Route.
Alle Punkte der Checkliste am Eingang konnten wir immerhin abhaken: Wir haben ein Sateliten Telefon, ausreichend Treibstoff, Wasser und Vorräte und die Notfallpersonen daheim sind informiert. Trotzdem haben wir schon ein etwas mulmiges Gefühl, als wir auf die beiden Reifenspuren einbiegen. Dafür haben wir den lichten Busch augenblicklich ganz für uns. Zwei Kängurus springen durch die Büsche davon, bläulich schimmerndes Gras wächst neben Termitenhügeln und wir finden die Fußabdrücke der wilden Dromedare im Sand. Die Stille hier draußen ist magisch und als wir an diesem Abend Kartoffeln in die Glut unseres Lagerfeuers legen und sich wieder einmal ein funkelnder Sternenhimmel über uns spannt, denke ich, dass wir genau das Richtige tun. Außerdem ist unser Allaq ein super zuverlässiges Gefährt.
Umso größer ist die Überraschung, als Christian am nächsten Morgen bei einem Stopp Tropfen unter dem Auto entdeckt. Bei genauerem Hinsehen bzw. riechen stellen wir fest, dass es Diesel ist. Das darf ja wohl nicht wahr sein. Ausgerechnet auf dem Track mit der längsten Strecke ohne Tankstelle müssen wir sprit verlieren. Wir zählen zehn Tropfen pro Minute. Nicht unbedingt viel. Trotzdem müssen wir das fixen. Christian fährt den Wagen mit den Hinterrädern auf einen kleinen Sandhügel, damit er mehr Platz hat und wirft sich unter das Auto. Dann baut er den Unterbodenfahrschutz ab, eine dicke Metallplatte, die den Tank vor Schlägen schützt. Nun kann er schon mehr erkennen. Aber wir wissen trotzdem nicht, ob wir ein Leck im Tank haben, oder ob auf der rauen Piste nur etwas Diesel durch die Entlüftung gedrückt wurde.
Wir fahren schließlich zu unserem Lagerplatz zurück und finden dort einen dunklen Fleck auf dem Boden. Also haben wir bereits letzte Nacht Sprit verloren. In Deutschland ist es inzwischen 7 Uhr und wir schreiben Nachrichten über den Satellitensender an unsere Freunde, die uns mit ihrem Fachwissen und Tipps unterstützen und das ein oder andere für uns recherchieren. Wir schicken unseren Notfallpersonen zwar jeden Tag unsere GPS-Position, aber wir haben die Kommunikation über Satellit noch nie so sehr gebraucht wie heute. Unser Problem ist dadurch klarer geworden.
Christian schwingt sich daraufhin noch einmal unter das Auto, schraubt die schwere Metallplatte zum zweiten Mal ab und beginnt den Tank sorgfältig zu reinigen. Wir müssen das Leck unbedingt finden. Ein fieses Gemisch aus Bulldust und Diesel klebt hartnäckig an dessen Gehäuse und so ist dieses Vorhaben gar nicht so einfach. Außerdem kann er nicht jeden Winkel des Tanks einsehen. Deswegen schiebt er schließlich die Gopro in die hinterletzten Winkel und macht Filmaufnahmen. Auf diesem Weg finden wir das Leck tatsächlich: An einer Ecke des Tanks fehlt die Beschichtung und dort tritt der Treibstoff aus. Gut, immerhin wissen wir jetzt, dass der Tank nicht grob beschädigt ist.
Christian reinigt die Stelle und dichtet sie dann mit Epoxydharz ab. Für Erste ist das Problem damit behoben. Wir können das vielleicht nicht bis in alle Ewigkeiten so belassen, doch im Moment können wir unsere Reise zumindest fortsetzen. Von oben bis unten mit rotem Sand verklebt, bis zu den Oberarmen mit Diesel beschmiert, verschwitzt, Fliegenumschwirrt, aber happy kommt Christian wieder unter dem Wagen hervor. Das hat er wohl auch noch nie gemacht: Bei 38 Grad mitten in der Wüste sechs Stunden unter einem Auto zu liegen. Den ganzen restlichen Abend riecht mein Mann wie eine Tankstelle. Aber war soll’s. Shit happens und jetzt geht es hoffentlich weiter.
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Respekt!
Eine OP der etwas anderen Art.
Gut, dass ihr weiterkommt. Grüße