„Atlantic Super Store“ prangt in roten Lettern über dem Eingang, auf den ersten Blick ein Supermarkt nach europäischem Standard. Die Einkaufswagen sind aber allerdings mehr als doppelt so groß. Sie bieten dem Kunden drei Ebenen, auf denen die Waren verstaut werden können, sie sind breiter und deutlich länger. Das müssen sie auch sein, denn in dem Supermarkt gibt es nahezu ausschließlich XXL-Packungen: 1l Spülmittel, 2l Heinz Ketschup und 4l Milch im Plastiksack. Hilfe. Wer soll das alles verbrauchen? Gleichzeitig sind die Gänge zwischen den Regalen zwar unendlich lang, aber doch deutlich schmaler als in einem deutschen Supermarkt. Mit diesen Einkaufswagen für Trolle, die auch ähnlich wendig sind wie ein Troll, versperrt man rasch den kompletten Gang. Zwei Wagen passen auf jeden Fall nicht aneinander vorbei, sodass ein Wagen dann umständlich rückwärts buxiert werden muss, während dadurch zwangsläufig ein Stau entsteht. Eine Einbahnstraßen-Regelung wäre hier absolut sinnvoll, oder jemand, der den Verkehr regelt. Ziemlich verrückt.
Zudem fallen gleich im Eingangsbereich die vielen Kühltruhen auf. Wo sich bei uns 10 verschiedene Sorten Tomaten, Äpfel und Kartoffeln finden, stapeln sich hier Plastikboxen mit fertig angerichtetem Essen. Da gibt es Maccaroni mit Fleischbällchen, Gulasch mit Reis, Gemüse zum Snacken schön portioniert, Salate und Chips in riesigen Tüten. Denn der Kanadier kocht nicht gerne und tut es auch selten. Er geht lieber ins Restaurant, oder nimmt eben eine dieser Boxen hier mit – das Restaurant für zu Hause. Uns kommt das natürlich zu Gute. Nach dem langen Flug hätte ich im Leben nicht noch essen gehen, oder gar etwas kochen wollen. Der Fertigsalat kommt da gerade richtig.
Außerdem brauchen wir unbedingt Wasser. Nein, nicht das gechlorte, das hier aus der Leitung kommt und das mit großen Mengen Eiswürfeln getrunken wird – im Hotel wurden wir auch gleich auf die Eismaschine hingewiesen. Das scheint sehr wichtig zu sein. Nein, ich möchte ein schnödes Mineralwasser. Doch wie in so vielen Ländern ist das auch hier gar nicht so einfach. Ich finde sie schließlich, einsam zwischen all den Softdrinks, eine einzige Flasche Sodawasser. Dabei muss ich noch höllisch aufpassen, dass ich nicht die mit dem Pampelmusen-, oder dem Limettenflavour erwische. Eine Kanadierin lächelt mich an, als ich ihr mit meiner Flasche Mineralwasser im Gang entgegen komme. Ich sehe bestimmt etwas entrückt aus: Seit 20 Stunden auf den Beinen, die Haare zerzaust, freue ich mich wie ein Kind über das Mineralwasser. Sie fragt auch prompt, wo ich herkomme. Eine Landsfrau würde nicht so verstrahlt durch die Regale stolpern, soviel ist klar. Meine Antwort verbreitert ihr Lächeln. Sie will wissen, ob wir hier Urlaub machen und wie lange wir in Kanada bleiben. Als ich ihr sage, dass wir drei Monate Zeit haben, strahlt sich mich an. Das gefällt ihr. Dass wir davon nur etwa 2 Wochen in Kanada bleiben, lasse ich daraufhin mal unter den Tisch fallen. Ich möchte sie nicht kränken. Kanadier sind unfassbar nette Menschen. Das konnten wir schon bei unserer letzten Reise in dieses Land feststellen: Hilfsbereit, freundlich, interessiert, aber ganz unaufgeregt. Ähnlich wie die Australier. Das werden wir noch vermissen, wenn wir erst die Grenze in die USA passiert haben…
Es gäbe noch mehr Mineralwasser bei den „special waters“, gibt sie mir zum Abschlied als Tipp mit auf den Weg und deutet grinsend auf die Flasche in meinen Armen, die ich wie ein Verdurstender umklammere. Wie gesagt, sie sind nett diese Kanadier. Und sie trinken gerne Kaffee. Sie bekleiden Platz 11 auf der Weltrangliste der Kaffeetrinker – klar, die Skandinavier sind nicht zu schlagen. Allerdings haben die damaligen kanadischen Einwanderer mit ihren begrenzen Mitteln nur ziemlich dünnen Kaffee auf den Tisch gebracht. „Als habe man eine einzige Bohne durch das heiße Wasser gezogen“, bemerkt ein Zeitungsartikel kritisch. Das gab Raum für die vielen Fastfoodketten, die rasch auch Kaffee in sämtlichen Geschmacksrichtungen anboten, damit der Kaffee wenigstens nach irgendetwas schmeckte. Von „Cookies and creme“, über „saltet caramel“ bis „Marshmallow“ ist alles dabei, was sich auch im Sortiment des Supermarketes widerspiegelt. Ich gerade in Verzückung als ich Baileyskaffee im Kühlregal finde und eine riesige Flasche Kaffeezusatz in der Geschmacksrichtung „Hazelnut“. In meinem Kaffee-Herzen bin ich offenbar kanadisch.
Sehr bemerkenswert ist die immense Auswahl an überdimensionalen, quietschbunten Torten und natürlich an Ahornsirup, der in diesem Laden gleich mehrfach und in erstaunlicher Vielfalt angeboten wird. Doch der absolute Spitzenreiter der ungewöhnlichen Lebensmittel sind die Eier. Ja, richtig gelesen: Diese schnöden weißen Dinger, die es bei uns als Bodenhaltungs- oder Freilandvariante gibt und wenn es ganz abenteuerlich wird, auch noch als Bio-Ei. Das war’s dann auch. Aber wir können einpacken mit unserem Eier-Angebot, denn in Kanada gibt es zudem (Trommelwirbel): Normale Eier – klar – hart gekochte Eier, bereits geschälte gekochte Eier (!), von rohen Eiern nur das Eiweiß, nur das Eigelb, das ganze Ei ohne Schale bereits aufgeschlagen und auch noch als fettfreie Variante… Keine weiteren Fragen 🙂 Kanada, das Land der unbegrenzten Eier…
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Schön, dass ihr gut angekommen seid und die ersten Shoppingerlebnisse erfahren habt.
Ich hätte doch echt gedacht, dass sich dort drüben die Mineralwasser-Front weiterentwickelt hättet. Schon vor über 20 Jahren bin ich verzweifelt auf der Suche nach Sodawasser in Kanada und den USA rungeirrt. Da fragt man sich doch echt, wieso es dort alles in Megaauswahl und in XXL gibt, nur kein stinknormales Sprudelwasser!
Naja, vielleicht hat das einfach zu wenig Kalorien, um dort drüben interessant zu sein. 😉
Liebe Grüße und euch noch eine tolle Zeit!
Das hat definitiv zu wenig Kalorien, viel zu gesund 🙂 Die Fastfood-Kultur hier ist nicht zu fassen… LG, Sonja