Anderstouren

Im Mondschein…

Wir befinden uns auf dem Weg nach Adelaide, was noch einmal eine Fahrstrecke von 800 Kilometern bedeutet. Morgen Abend geht bereits unsere Fähre nach Kangaroo Island und deswegen fahren wir bis zur letzten Minute. 19:30 Uhr. Die Sonne sinkt. Nun wird es aber höchste Zeit, einen Schlafplatz zu finden. Wir steuern auf das Ufer des Meeres knapp 90 Kilometer vor Port Augusta zu. Das kleine Campingsymbol in unserem Atlas hat uns angelockt. Was uns wohl erwartet? Die Zeit ist so fortgeschritten, dass wir wahrscheinlich nur diesen einen Versuch haben und mit dem Vorlieb nehmen müssen, was wir dort vorfinden; zur Not auch mit einem nach Ölsardinenprinzip hübsch parzellierten Campingplatz mit gesalzenen Preisen. Am Ufer ist Camping ansonsten verboten, was in Australien eher selten vorkommt. Sogar eine Strafe wird angedroht. Alles klar. Der Campingplatzbesitzer will verhindern, dass ihm die wenigen Kunden, die sich in diese abgelegene Ecke verirren, durch die Lappen gehen.

Umso überraschter sind wir, als wir auf ein großzügiges Areal einbiegen, das direkt am Meer liegt und auf dem man einfach frei stehen darf. Kein Kassenhäuschen, keine Schranke, aber natürlich auch keine sanitären Einrichtungen. Nun, die brauchen wir auch nicht. Außer uns haben eine handvoll weiterer Camper diesen Platz gewählt. Unsere betagten Nachbarn scheinen sich hier für längere Zeit eingerichtet zu haben. Nebst Wohnwagen und Campingtrailer mit allerlei Boxen gibt es zwei üppige Vorzelte und eine Fußmatte vor dem Eingang, auf dem der Hund sein Plätzchen hat. Sie selbst sitzen in bequemen Liegestühlen, ein Emu Bitter in der Hand und winken begeistert, als wir vorbeifahren. Endlich passiert mal etwas! Ich vermute, dass sie zu jenen Aussies gehören, die mit Renteneintritt ihren festen Wohnsitz aufgeben, sich einen Camper zulegen und dem guten Wetter folgend durch ihr Land reisen. Dabei bleiben sie immer so lange auf den freien Stellplätzen, wie man dort bleiben darf, manchmal sogar Wochen. Die einzige Abwechslung sind dann so Leute wie wir. Die Nachbarn von gegenüber tragen prompt zwei Stühle und noch mehr Emu Bitter herbei, damit sie gemeinsam beobachten können, wie die komischen Deutschen ihr noch komischeres Gefährt aufbauen. Was ist das eigentlich? Ein Kühlwagen, oder ein Hundetransporter?

Für ein Schwätzchen ist leider keine Zeit. Die Sonne sinkt mal wieder mit rasanter Geschwindigkeit und wenn wir noch kochen, essen und spülen wollen, wird es schon knapp. Natürlich könnte man das alles auch bei Mondschein tun. In Australien ist der Vollmond so hell, dass man ein Buch lesen, wandern oder einfach weiter fahren könnte. Aber wir haben es nun einmal schon erlebt, dass wir von einem Rudel Dingos in den Camper gejagt wurden, oder ich urplötzlich eine Huntsman (ekelhafte Riesenspinne) am Bein hängen hatte. Außerdem sieht man im Dunkeln nie, wo man hintritt. Eine Redback (giftige, kleine, nicht ganz so ekelhafte Spinne) saß schon neben Christians Fuß und drei Schlangen haben wir in diesem Urlaub auch schon gesichtet. Autofahren scheidet bei Dunkelheit gänzlich aus. Australiens Straßen gleichen nachts einem Zoo. Auf wenigen Kilometern begegnet man einem Dutzend Kängurus und das Unfallrisiko steigt sprunghaft an. Da würden uns auch unsere Känguru-Flöten nicht mehr schützen. Nein, deswegen versuchen wir mit der Dunkelheit in der Kabine zu sein und mit dem ersten Licht stehen wir wieder auf, wie die Hühner.

Nur heute Nacht klappt das nicht. 4:15 Uhr. Ich bin wach. Irgendetwas hat mich aufgeweckt. Ich weiß nur nicht was. Ich drehe mich auf die andere Seite und will gerade wieder einschlafen, als ich ein Geräusch vernehme. Was ist das? Das sanfte Schlagen der Wellen auf den felsigen Strand ist es nicht. Nein, dieses Geräusch will irgendwie nicht hierher passen. Ich lausche. Da ist es wieder. Es sind Schritte, schwere Schritte im Kies. Ich liege stocksteif da und wage kaum zu atmen. Die Männerschritte nähern sich und der Unbekannte bleibt an der Fahrerseite gleich neben Christians Kopf stehen. Warum sagt er nichts? Er muss die Schritte doch auch hören. Doch von meinem Mann sind nur gleichmäßige Atemzüge zu hören. Er schläft tief und fest. Auch der Fremde scheint zu lauschen, ob wir denn noch schlafen, bevor er zur Tat schreiten kann. Als Christian dies mit einem sonoren Schnarchen bestätigt, setzen sich die Schritte wieder in Bewegung.

Verflucht. Ich bin hellwach. Was soll ich jetzt tun? Ist da wirklich jemand, der in unser Auto einbrechen will? Vielleicht wollen die feinen Nachbarn ihre Urlaubskasse ein wenig aufbessern und wollen mal schauen, was es bei den Deutschen so zu holen gibt. Fieberhaft überlege ich, welche Wertsachen vorne im Allaq liegen. Doch wir haben eigentlich alles hier bei uns. Egal. Das kann der Dieb ja nicht wissen. Also stupse ich Christian an und flüstere mit heiserer Stimme: „Da draußen ist jemand. Hörst Du die Schritte?“ „Was? Ich hör‘ nichts. Das ist nur das Meer“, ist die verschlafene Antwort.

Doch es ist nicht nur das Meer. Wenig später höre ich den Einbrecher auf meiner Seite. Die Schritte eilen hastig durch den Kies. Wahrscheinlich möchte er noch schnell auf der Beifahrerseite sein Glück versuchen. So jetzt reicht es. Mit pochendem Herzen richte ich mich auf und spähe todesmutig aus dem Fenster. Zunächst kann ich nichts erkennen, außer zwei Mücken, die enttäuscht von außen gegen das Fliegennetz titschen. Doch dann sehe ich sie: Zwei Kängurus sitzen seelenruhig gleich neben unserem Camper. Die Spuren im Kies sind eindeutig: Die beiden sind die nächtlichen Einbrecher. Ich beobachte sie schmunzelnd eine Weile, wie sie zufrieden auf der mondbeschienenen Wiese grasen. Über ihnen wölbt sich ein prächtiger Sternenhimmel. Der helle Mond und die leuchtenden Sterne spiegeln sich zudem in dem dunklen Meer, das heute Nacht ganz glatt und friedlich ist, so als würde es schlafen. In Ordnung. Dann kann ich mich wohl auch wieder hinlegen. No worries. Ich hätte es eigentlich wissen müssen: Im Mondschein gehen nur die Kängurus um.

4 Kommentare

  1. Klar, Kängurus, was hätte es auch anderes sein sollen in Australien…? Also betrachten nicht nur die australischen Menschen, sondern auch die australischen Tiere euer exotisches Auto mit großem Interesse 😀 Liebe Grüße, passt auf euch auf!

    1. Klar – was auch sonst ;)) Vielleicht hat sie aber auch nur unser leckeres Abendessen angelockt. Allerdings gab es Känguru-Filet… ?? Ist Kanibalismus unter Kängurus verbreitet ?? ;)) Danke für die lieben Grüße

  2. Hallo ihr Lieben!
    Auch meine Muskeln haben sich beim lesen angespannt, und meine Phantasie ging mit mir genauso durch, wie Deine, liebe Sonja. Ich wäre tausend Tode gestorben und müsste schon sehr erschöpft sein, um überhaupt wieder einzuschlafen. Jeden Tag denke ich an Euch und hoffe, dass ihr unbeschadet von Euren Abenteuern, bepackt mit Geschichten und unglaublichen Bildern, zurückkehrt. Passt auf Euch auf. HEL

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