Anderstouren

Palmen, Peace und freie Liebe

Mal wieder rumpelt Allaq über Felsbrocken und seine Räder krachen in das nächste tiefe Loch, das die letzte Flut ausgewaschen hat. Dieses Mal geht es jedoch steil bergab und zwar seit über einer Stunde! 1600 Höhenmeter stürzen wir vom Südpass bis zum Salzsee des Saline Valley hinunter. Die Bremsen qualmen, während wir die nächste schmale Serpeninenkurve nehmen. Doch irgendwann geht der felsige Track endlich in eine sandige Piste Über, die uns am Salzsee entlang führt, in dessen Wassern sich die schroffen Berge spiegeln, durch die wir gerade noch gefahren sind.

Das Saline Valley ist eins dieser vergessenen Täler des Death Valley und seine heißen Quellen stehen seit 10 Jahren auf meiner Bucketliste. Nur hatten wir nie das Fahrzeug, oder die Zeit, um diesen Track zu meistern. Umso aufregender ist es, als die Palmen dieser Oase in Sicht kommen. Ein origineller Wegweiser, in dem u.a. eine Ampel, ein Windrad, verschiedene Warnschilder und ein alter Motor verbaut sind, sagt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass es sich jedoch durchaus um einen recht speziellen Ort handelt.

Dieser Eindruck wird bestätigt, als wir kurz darauf die letzten heftigen Wellen der Sandpiste hinter uns bringen und Allaq vor einem Palmenhain parken. Das warme Wasser wird in hübsch angelegte Becken geleitet, die wunderbar im Schatten der Palmen liegen. Auf dem Beckenrand sitzt jedoch – in lassiver Pose – ein nackter Mann und er ist nicht der Einzige, der sein Gemächt munter zur Schau stellt. Hier laufen so einige „unten ohne“ herum und die Freikörperkultur wird unübersehbar gelebt. Auch an dem anderen Pool werkelt jemand, der offenbar keine Hose besitzt. Seine grauen Haare gehen ihm bis zu seinem braungebrannten Hintern. Zum Teil sind sie zu Rasterlocken verfilzt, er ziert sie zum Ausgleich mit bunten Perlen. Auch um den Hals trägt er Perlen, die jedoch größtenteils von seinem langen, grauen Bart verdeckt werden. Wahrscheinlich hat er seine Haare und seinen Bart 1978 zum letzten Mal geschnitten, als diese Becken angelegt wurden.

So ganz abwegig ist dieser Gedanke nicht. Denn es gibt viele, die lange, sehr lange hier bleiben. Auch Drews ist schon einige Wochen hier. Eigentlich darf man nur 30 Tage bei den heißen Quellen campen, doch dieses Gebot wurde genauso rasch abgeschafft wie das Schild, das dem Besucher vorschreibt, Badekleidung zu tragen. Die meisten tragen einfach gar keine Kleidung mehr. Warum auch? Es ist immer warm und beim Baden viel praktischer, berichtet Drews. Als ich ihn frage, wie lange er schon hier ist, schaut er nachdenklich in die Ferne. Offenbar hat er schon sehr lange nicht mehr darüber nachgedacht. Zeit scheint für ihn einfach keine Rolle zu spielen. Er wurde mit 44 Jahren berentet, seitdem reist er nur noch und er geht bereits auf die 80 zu, wirkt aber topfit und sehr zufrieden. Auch ein Lebensentwurf. Nun, wir schaffen es immerhin ab und zu zu vergessen, welcher Wochentag gerade ist 🙂

Die heißen Quellen sind auf jeden Fall herrlich und die dazu gehörige Dusche ist wohl eine der Originellsten, die wir je benutzt haben. Überhaupt passiert hier etwas Gutes. Dieser Ort scheint voller positiver Energie zu sein und das hat nicht nur etwas mit dem überdimensionalen Peace-Zeichen zu tun, das ein ambitionierter Friedenskämpfer in die gegenüberliegende Bergflake gegraben hat. Die Menschen sind überaus freundlich, offen für jedermann und jeder Mann und jede Frau (oder was auch sonst) darf einfach so sein, wie Mutter Erde ihn geschaffen hat.

Die Regenbogenflagge weht im warmen Wind, Palmen rauschen und Vögel streiten schnatternd um ihre leckeren Früchte. Die Sonne zaubert einen rosanen Glanz auf die Wolkenfetzen und Venus geht leuchtend am Himmel auf. Von der Ferne dringt eine Melodie an mein Ohr. Jemand spielt Flöte und als die ersten Lagerfeuer entzündet werden, wird auch noch eine Gitarre aus dem Camper geholt. Alle wirken zufrieden und genießen den wunderbaren Abend. Hier hat scheinbar jeder seinen Frieden mit sich geschlossen und die Welt ist noch in Ordnung. Und allein das macht diesen Ort zu etwas Besonderem! Und während ich so im warmen Wasser liege, bin ich für einen verklärten Moment versucht, ebenfalls lange, sehr lange zu bleiben…


Entdecke mehr von Anderstouren

Subscribe to get the latest posts sent to your email.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.