Das Wort „Road Worthy Check“, kurz RWC hatte ich vor dieser Reise noch nie gehört und jetzt machen wir gerade einen. Es ist der Australische TÜV, eine einstündige Untersuchung in einer dafür zertifizierten Werkstatt, die feststellt, dass unser Auto straßentauglich ist. Dabei scheinen die Herren ziemlich gründlich vorzugehen. Es geht nicht nur darum zu testen, ob Licht und Bremsen funktionieren. Wir warten geduldig und hoffen, dass jetzt nicht noch etwas schief geht.
Heute nehmen wir die letzte Hürde einer langen Kette der bereits genannten Hindernisse und manchmal gewinnen wir wirklich den Eindruck, dass die Australier einfach keine ausländischen Autos in ihrem Land haben wollen. Deswegen könnte es schon sein, dass wir noch einmal Schwierigkeiten bekommen. Ein solches Fahrzeug hat es zumindest auf dem roten Kontinent noch nie gegeben. Hiluxe gibt es auf Perths Straßen wie VWs in Wolfsburg, aber wir bringen die erste Exkab nach Australien. Die Australier haben zwar oftmals ein Kistensystem aus Edelstahl auf der Ladefläche, aber in unserer Kiste kann man auch schlafen, kochen und das Klo benutzen. So etwas kennen die Aussies nicht. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass wir immer wieder neugierige Blicke kassieren. Dabei bin ich mir nicht ganz sicher, ob sich die Mitstreiter im Straßenverkehr nach uns umsehen, weil wir ein Linkslenker sind, worauf der Aufkleber „Caution left-hand drive“ auch ganz eindeutig hinweist, oder ob sie diese silberne Kiste einfach nicht einordnen können. Halten sie uns für einen Kühlwagen, oder einen Hundetransporter? Oder schauen sie uns einfach nur so an, wie man ein besonders widerliches Insekt betrachten würde?
Den RWC haben wir auf jeden Fall schon mal überstanden. In 20 Minuten ist unser Allaq fertig und wir halten das Road Worthy Check Certificate in den Händen. Das ist schon mal die halbe Miete. Jetzt geht es weiter zum Department of Transport, DOT. Der Weg dorthin ist schnell gefahren. Neben eine Pizzeria, eine Nachhilfeschule und einen Toys R‘ Us – Verschnitt reiht sich das Amt ein. Am Eingang erwartet uns ein freundlicher Mitarbeiter, der den Kunden dem Anliegen nach sortiert und der uns eine Nummer in die Hand drückt. Der Raum ist in Weiß-, Grau- und Minttönen gehalten und erinnert an den Wartebereich eines Krankenhauses. Alles ist sehr sauber, beinahe steril und riecht sogar nach Desinfektionsmittel.
Wir nehmen artig auf einem mintgrünen Sofa Platz und warten, bis eine weibliche Computerstimme die VN133 aufruft und uns zum Schalter Nummer acht beordert. Eine Frau in den Vierzigern, mit hochgesteckten braunen Haaren erwartet uns. Um den Hals trägt sie ein Schlüsselband mit der Aufschrift „Department of Transport“ wie ein Schließer die Gefängnisschlüssel. Ihr aufgesetztes Lächeln verschwindet rasch, als wir ihr unser Anliegen schildern. „Oh bitte nicht so etwas gleich am Montag Morgen!“ steht auf ihrer Stirn geschrieben und sie ist alles andere als erfreut. Ryan, unser Agent hatte uns darauf vorbereitet, dass die Beamten unser Fahrzeug nicht zulassen wollen und regelrecht nach etwas suchen werden, was nicht den Vorschriften entspricht. Wahrscheinlich werden ihre Lippen deswegen immer schmaler, als wir ihr die bereits ausgefüllten Anträge und das Formular E65, was in meinen Ohren eher nach irgendeinem Zusatzstoff klingt, präsentieren. Sie wirft uns einen kalten Blick aus ihren braunen Augen zu und nimmt unsere Papiere dann mit spitzen Fingern entgegen. Als erstes streicht sie mit vorwurfsvoller Miene Christians Zweitnamen durch, der in der falschen Zeile steht. Dabei sieht man ihr regelrecht an, dass sie mit dem Gedanken spielt, ob sie diese Verfehlung bereits zum Anlass nehmen soll, um uns rauszuwerfen. Sie scheint sich jedoch dagegen zu entscheiden, schreibt den Namen genervt in ein anderes Feld und sucht mit einem Seufzen den Ordner heraus, der das Vorgehen mit solchen Klienten vorgibt. Wie lästig.
Glückerlicherweise hat Ryan diesen überaus kritischen Moment akriebisch vorbereitet und wirklich an alles gedacht. Er hat sogar eine Deutsche Übersetzung unserer Zulassungspapiere anfertigen lassen. Doch genau dieses Dokument wird uns zum Verhängnis. Nachdem die gute Diane zu ihrem Verdruss nämlich weder die Anträge, noch das Carnet, noch den Internationalen Führerschein oder das RWC-Certificate beanstanden konnte, findet sie doch noch ein Haar in der Suppe: Die Übersetzung ist zwar von der Dolmetscherin beglaubigt, aber das Originaldokument, was sie übersetzt hat, trägt diesen Stempel nicht. In Dianes Augen blitzt es. Endlich, sie hat etwas gefunden. Nun kann sie diese überaus lästigen Deutschen wegschicken und später vielleicht an ihre ungeliebte Kollegin loswerden. Ihr Lächeln ist dieses Mal noch gekünstelter, als sie uns erklärt, dass wir zu unserer Übersetzerin fahren müssen, um dieses Versäumnis nachzuholen. Wir könnten dann sofort wieder zu ihrem Schalter kommen, doch wahrscheinlich werde es viel zu lange dauern und dann habe sie leider schon Feierabend. Sie lächelt zufrieden. Wir starren sie ungläubig an. Das kann jetzt nicht ihr Ernst sein. Beide Dokumente tragen die selbe Nummer und es ist völlig eindeutig, dass dies die Übersetzung unserer Zulassung ist. Doch die gute Diane lässt nicht mit sich reden und schaltet auf stur. Auch ein Telefonat mit Ryan kann sie nicht zur Vernunft bringen und so bleibt uns nichts anderes übrig, als tatsächlich zu unserer Übersetzerin zu fahren und uns ihr Autogramm zu holen. Auch Heike schüttelt nur den Kopf über soviel Bürokratie. Das hat sie in all den Jahren, die sie jetzt für das DOT arbeitet, noch nie erlebt. Also ist es wirklich reine Schickane und Ryan flucht am Telefon zu Recht wie ein Rohrspatz.
Womit die gute Diane allerdings nicht gerechnet hat ist, dass Heike nur einen Kilometer vom DOT entfernt wohnt und wir in fünf Minuten mit der gewünschten Unterschrift wieder grinsend vor dem Schalter Nummer acht stehen. Tja, dumm gelaufen! Diane mustert uns nun tatsächlich wie ein besonders widerliches Insekt und verkündet dann, dass sie nun in die Mittagspause gehe (um 11 Uhr!!). Wie dreist ist das denn? Sie gibt die Papiere mit einem süßlichen Lächeln an eine deutlich ältere Kollegin, mit grauen Haaren in einer biederen Bluse mit aufgestickten Blümchen und einer abgetragenen Strickjacke weiter. Sicherlich das Mobbingopfer der Abteilung, dem immer die schwierigen Fälle zugeschoben werden. Erstaunlich ist nur, dass Diane bereits fünf Minuten später wieder neue Kunden bedient. Ist die Mittagspause in Australischen Ämtern wirklich so kurz? Dann hat sie unser vollstes Mitgefühl ob dieser harschen Arbeitsbedinungen, oder ist sie vor uns nur kurz aufs Klo geflüchtet?
Die arme Kollegin muss nun die Checkliste für Überseeklienten durchgehen, kopiert und schreibt sich die Finger wund, bis der Computer am Ende die stolze Summe von 319 Australischen Dollar ausspuckt. Wie betäubt halten wir die Kreditkarte vor das Gerät und dann reicht sie uns wahrhaftig unsere Registrierung. Geschlagene drei Stunden haben wir mit Papieren, Anträgen und Kopien gekämpft und ich überlege kurz, ob ich es nicht lieber doch noch einmal mit dem Wilbinga Beach aufgenommen hätte…
Jetzt nichts wie raus hier, bevor die uns noch irgendeinen Stein in den Weg legen können. Draußen jubeln wir und klatschen ab. Jetzt ist endlich alles geschafft, oder um es mit Ryans Worten zu sagen: „Now we are free!“ Und deswegen fahren wir, ohne uns noch einmal umzusehen, mit Vollgas aus Perth hinaus und befinden uns schon wenige Kilometer später auf einsameren Straßen, wo der Busch auf uns wartet!
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