Etwa 400 Kilometer östlich von Perth befindet sich der Wave Rock, eine Welle, die kurz vor dem Brechen zu Stein erstarrte. Diese Felsformation ist eine bemerkenswerte Laune der Natur. Dennoch bezweifle ich, dass sich die Goldsucher Ende des 19. Jahrhunderts dafür interessiert haben, als sie den langen Weg von Perth nach Kalgoorlie zu Fuß zurücklegten, um dort ihr Glück und natürlich auch jede Menge Gold zu finden. Um ihnen den Marsch zu erleichtern, suchte John Holland 1893 einen Pfad von Süden durch den Busch, der uns heute als Holland Track erhalten geblieben ist.
280 Kilometer wollen wir den Spuren der Goldsucher folgen und wagen uns damit zum ersten Mal auf dieser Reise in den sogenannten Busch vor. „The Bush“ ist für den Australier eigentlich alles, was außerhalb der Städte existiert und in unserem Fall eine undurchdringliche Wildnis aus kleinen Büschen, die von Salmon Gums mit rot leuchtender Rinde und prächtigen Kronen überragt werden. Der grüne Teppich zieht sich soweit das Auge reicht und die beiden sandigen Fahrspuren sind das einzige, was ihn durchbricht.
In unserem Trackbook ist der Holland Track ebenfalls grün markiert. Das hat allerdings nichts mit der Vegetation zu tun, sondern mit dem geringen Schwierigkeitsgrad. Lediglich bei Nässe sei der Weg unpassierbar. Wohl wahr! Der harte Sand ist im Grunde einfach zu befahren und wartet mit keinerlei größeren Schwierigkeiten auf. Allerdings sind einige besondere Experten die Strecke bei Nässe gefahren bzw. sind vom Regen überrascht worden. Die Spuren dieser unfreiwilligen Schlammschlachten sind auf der gesamten Strecke nicht zu übersehen und haben den Track schwer gezeichnet, was auch den Schwierigkeitsgrad in die Höhe treibt. Überall haben sich Reifenspuren tief in die Erde gefressen. Zum Teil sind die Löcher so tief, dass wir unser Auto samt Kabine dort versenken könnten. Ich klettere aus Spaß in ein solches Loch hinab, um gleich darauf knöcheltief einzusinken. Also Vorsicht! Der Schlamm sieht zwar knochenhart aus, ist es aber nicht. Wir müssen ständig um die tiefen Rinnen herum fahren, was aber nicht immer möglich ist. Dadurch werden uns einige ordentliche Verschränkungspassagen und Schräglagen beschert und wir kommen kaum voran. Nach vier Stunden haben wir gerade einmal 30 Kilometer zurückgelegt. Wenn das so weiter geht, dann sind wir hier noch tagelang unterwegs. Dabei sollte man nicht vergessen, dass wir uns hier in der völligen Einsamkeit befinden. Die nächste Ansiedlung ist mindestens hundert Kilometer entfernt und Handyempfang gibt es hier draußen natürlich nicht.
Gleichzeitig ist der Track aber auch wunderschön und total abwechslungsreich. Obwohl wir uns kaum vorwärts bewegen, wird es keine Sekunde langweilig. Der Weg führt uns über weite Ebenen, die mit Büschen dicht bewachsen sind. Manchmal bilden sie sogar eine Art Tunnel, durch den wir uns gerade so hindurch zwängen können. Dann befinden wir uns mitten in den Woodlands, einem waldigen Buschgebiet, in dem Eukalyten herrlichen Schatten spenden. In einen solchen Schatten duckt sich ein graues Känguru, das sich neugierig aufrichtet und die Ohren aufstellt, als wir uns nähern. Es ist gar nicht scheu und betrachtet uns eine Weile neugierig, bevor es mit großen Sprüngen zwischen den Büschen verschwindet. Hinter der nächsten Wegbiegung wird der Boden dann steiniger und wir passieren mehrere Felsplateaus. Dann wird die Vegetation unvermittelt niedriger und karger, sodass sie uns beinahe an Finnland erinnert, wäre es nicht so heiß.
37 Grad zeigt unser Thermometer und gegen Mittag wird die Hitze dann so unerträglich, dass wir unter den Schatten unserer Markise flüchten und erst einmal eine Pause machen. Wir hängen in unseren Stühlchen und nippen an unserem Wasser. Unsere Wasserflasche ermahnt uns bei dieser Gelegenheit, dass wir 6-10x pro Tag auf die Toilette gehen sollen und fragt uns dann doch wahrhaftig, wie oft wir so pinkeln gehen. Wie unverschämt. Das geht diese Wasserflasche gar nichts an. Eine Farbskala auf der Flasche soll uns an Hand der Farbe unseres Urins den Grad unserer Dehydration anzeigen. Solche Skalen gibt es auch auf jeder australischen Buschtoilette. Obwohl wir nur den Kopf über das Interesse der Aussies an der Farbe unseres Urins schütteln können, trinken wir in den kommenden Stunden doch deutlich mehr und zählen wahrhaftig, wie oft wir so im Busch verschwinden, denn langsam austrocknen wollen wir hier draußen natürlich nicht.
Eine weitere ungeliebte Eigenheit dieser Wildnis sind die zahlreichen Fliegen. Als wir gegen Abend unser Lager aufbauen, umschwirren sie uns zu Hunderten. Dabei haben sie die unangenehme Angewohnheit entweder zielstrebig in die Nase, die Ohren oder die Augen zu fliegen, um ebenfalls etwas Flüssigkeit zu ergattern und der Dehydration entgegen zu wirken. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als unsere Moskitonetze herauszuholen und über die Hüte zu ziehen. Beim Kochen ist das ja noch in Ordnung, aber beim Essen kann das schon ziemlich hinderlich sein, besonders wenn man vergisst, was man da auf dem Kopf hat, die Gabel dennoch zum Mund führt und den Ketschup erst einmal gepflegt an das Netz schmiert. Das sind mal echte Buschprobleme.
Trotzdem würde ich gerade nirgendwo lieber sein als hier. Die Sonne geht glutrot am Horizont unter und die Eukalypten zeichnen sich schwarz vor dem Farbschauspiel am Himmel ab. Dazu lassen die Grillen ihr Konzert hören und die Rinde, die in langen Streifen von den Bäumen herab hängt, raschelt leise im Wind. Sonst ist es vollkommen still. Außer unserem ersten Känguru auf dieser Reise sind wir den ganzen Tag niemandem begegnet und auch jetzt sind wir ganz allein. Wir lauschen den Geräuschen atemlos, während sich die Nacht über den Busch legt und ein leuchtender Vollmond hinter den Wipfeln der Bäume aufgeht.
Am nächsten Morgen machen wir uns nach einem gemütlichen Frühstück bald wieder auf den Weg, denn bereits um 10 Uhr sind es 32 Grad. Heute wird es noch heißer als gestern. Dennoch ist es besser auszuhalten, denn auf dem zweiten Teil des Tracks kommen wir deutlich zügiger voran und dürfen den Fahrtwind genießen. Wir schaffen stolze 20 Kilometer pro Stunde und halten nur ein paar Mal an, um zu filmen, oder eine Emumutter zu beobachten, die mit ihren drei Jungen eilig im Dickicht verschwindet.
Dann mündet der Track unvermittelt auf die Victoria Rock Road, eine deutlich breitere Schotterpiste. Obwohl dieser Teil offiziell immer noch zum Holland Track gehört, ist das Busch Abenteuer damit für uns zu Ende. Das liegt zum einen daran, dass wir mit 50km/h über die Straße brausen und zum anderen sind die Woodlands hier komplett niedergebrannt. Anstelle der prächtigen Eukalpten und grünen Büsche ragen nur noch verkohlte Stämme aus der Asche. Kilometerlang folgen wir einer Schneise der Verwüstung, die die Buschfeuer hinterlassen haben.
Deswegen sind wir genauso froh wie die damaligen Schürfer, als wir die Goldstadt Kalgoorlie schließlich erreichen. Allerdings wollen wir uns nicht auf die Suche nach dem Edelmetall machen, sondern auf möglichst raschem Weg den Coles plündern, unsere Vorräte und den Tank wieder auffüllen und uns in das nächste Abenteuer stürzen; den Connie Sue Hwy.
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Schön die Reise miterleben zu dürfen. Ich wünsche Euch viele magische Momente. Lieben Gruss, Fabian
Ihr Lieben!
Jetzt auch von uns ein fröhliches: HURRA, IHR HABT ES GESCHAFFT!
Es klingt nach einem Traum-Abenteuerurlaub! Bringt uns was Schönes mit! 🙂
Und bleibt fröhlich und mutig!
Katrin
Danke für die guten Wünsche (auch an Fabian!) LG Sonja und Christian
Dieser Sonnenuntergang klingt ja wahnsinnig idyllisch 🙂 Alles Gute für euer nächstes Abenteuer!