Wir folgen dem „Viking Trail“ 400km gen Norden. Dabei wird diese Küstenstraße im Reiseführer mit den Worten „eintönig und öde“ nicht gerade angepriesen. Doch diese Straße ist genau unser Ding. Denn hier gibt es einfach nichts, außer niedrigen Krüppeltannen und kleinen Birkenwäldern, die die Straße säumen, oder weitläufigen Sumpfgebieten, deren kleine Seen verheißungsvoll in der Sonne glitzern und in die das Blau des Himmels regelrecht hinein zu fallen scheint. Dann fahren wir wieder gleich am Meer entlang und beobachten, wie die Wellen schäumend auf die schwarzen Felsen der Küste treffen. Was soll daran bitte öde sein?
Zudem fallen uns am Wegesrand immer wieder seltsame „Körbe“ auf, deren Funktion wir uns zunächst nicht erklären können. Nach einiger Recherche erfahren wir, es sind Reusen, die für den Hummerfang genutzt werden. Nachdem die großen Kabeljauschwärme ausblieben, ja, der Kabeljau mittlerweile sogar zu den gefährdeten Arten gehört und gar nicht mehr befischt werden darf, holt man eben den Hummer in großer Zahl aus dem Meer. Im Supermarkt werden sie sogar in „Lebendaquarien“ gehalten und im Restaurant „Happy Lobster“ stehen sie ganz oben auf der Speisekarte. Ich fürchte nur, dass der Lobster darüber nicht so happy sein wird…
Aber auch sonst scheint sich auf Neufundland gerade alles um die Jagd zu drehen. Denn auf unserem Weg begegnen uns ständig Quads, die von Männern in Camouflageklamotte gefahren werden. Am Samstag hat die Jagdsaison auf Bär und Karibou begonnen. Einer dieser Gesellen stellt sich mit seinem Quad und laufenden Motor gleich neben unser Tischen, als wir am Strand „idyllisch“ frühstücken wollen. Er dreht Countrymucke auf, grüßt freundlich und grinst uns breit durch die Scheibe an. Einigermaßen irritiert winke ich zurück. Daraufhin holt er eine Tüte Chips und eine Dose Cola heraus und leistet uns Gesellschaft. Dabei scheint er überhaupt nicht auf den Gedanken zu kommen, dass ein laufender Motor nicht unbedingt das ist, was wir beim Frühstück die ganze Zeit hören wollen…
Also wieder auf die Straße und in die Einsamkeit zurück, die nur ab und an von kleinen Dörfchen unterbrochen wird. Dabei wird uns klar, dass es sich beim „Viking Trail“ um eine 400km lange Shoppingmeile handelt. Denn in jedem Kaff gibt es ein oder zwei Läden. Doch wenn man alle zusammennimmt, dann hat man das Warenangebot, das man sonst in einer großen Stadt auf engstem Raum findet. Hier muss man halt ein paar Kilometer mehr fahren… In dem einen Dorf gibt es einen Spezialladen für Farben, das nächste hat einen Baumarkt, das dritte Kaff hat Glück gehabt und wartet mit dem Farmers Market auf, in dem Fleisch, Obst und Gemüse feilgeboten werden. Hawke’s Bay nennt dafür den Dollar Shop sein Eigen, ein Kaufhaus, in dem es von elektrischen Kerzen, über Tischdecken, Kochlöffel, Stoffbären mit riesigen Glupschaugen und einer erschreckend großen Auswahl an Plastikblumen, alles und nichts zu kaufen gibt.
Unsere Sicherung haben sie aber nicht; die Verlängerung des Zigarettenanzünders ist durchgeschmort, an der aber uns Navi hängt. Gut, gerade eben fahren wir 289 Kilometer immer geradeaus. Dafür braucht man kein Navi. Aber das wird sich wohl irgendwann wieder ändern, oder? Man schickt uns zur „Blue Garage“. Doch der Herr in der blauen Werkstatt ist gar nicht erfreut über die Störung. Er antwortet in ziemlich knappen Worten: „Nä – Wär u hädin‘ t‘?“ Übersetzt: „No, I am sorry. Where are you heading to?“ „North“, würgt Christian heraus, der ob des heftigen Akzents seines Gegenübers etwas überrumpelt ist. „Ah – Pla Po – Näpa.“ Er deutete wild fuchtelnd die Straße hinunter. Eh – was soll das jetzt wieder heißen? Christian trabt einigermaßen verstört zum Auto zurück und nachdem wir eine Weile gerätselt haben, wird uns klar, dass Autoteile Napa in dem Ort Plum Point gemeint ist. Alles klar – just down the road – also 78 Kilometer entfernt bietet die Shoppingmeile „Viking Trail“ natürlich auch einen Laden für Autoteile und der hat dann auch unsere Sicherung. Alles in Butter.
Nur mit diesem Akzent kommen wir nicht klar. In der winzigen Tankstelle frage ich, ob wir unseren Wasserkanister auffüllen dürfen. Die freundliche Dame plaudert munter drauf los und holt den Mechaniker herbei. Als ich ihr erkläre, dass wir nur etwas Wasser brauchen, versteht sie mich immer noch nicht und ich gebe es auf. Im nächsten Laden, der auf Kräuter und Marmeladen aus Wildbeeren der Gegend spezialisiert ist, blicke ich bei der Frage nach dem Preis nur in die verständnislose Miene meines Gegenübers. Dann fragt er mich wahrhaftig, ob ich gerade Englisch oder Französisch spreche. Das ist mir wirklich noch nie passiert, vor allem in einem angeblich englischsprachigen Land. Aber die Neufundländer verstehen uns also genauso wenig. Am Ende reden wir beide ganz langsam und mit Händen und Füßen und dann bekomme ich auch meine „Bakeapple“- Jam; eine Marmelade aus Moltebeeren, die nebenbei erwähnt ganz köstlich schmeckt 🙂
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