Der Schlüssel dreht sich im Schloss. Es ist so weit, es geht los. Wir haben alles tausend Mal durchdacht. Ist das Bügeleisen ausgesteckt, haben wir die Pässe mit dabei und die Brille nicht vergessen? Doch am Ende müssen wir einfach los marschieren, einfach los lassen. Denn es bringt nichts, die Packliste noch einmal zu studieren. Wir müssen es jetzt einfach wagen. Unser Autochen ist schließlich schon in Halifax angekommen.
Und dann marschieren wir tatsächlich los. Denn unsere Reise beginnt genau hier: An unserer Haustür! Mit Rucksäcken, einem Koffer und einer Tasche bepackt laufen wir die Dorfstraße hinunter und sorgen damit bestimmt für jede Menge Gesprächsstoff für die Nachbarn. „Wo wollen die denn schon wieder hin? Und auch noch zu Fuß…?“ Dabei fühlen wir uns tatsächlich ein wenig heldenhaft, wie verwegene Abenteuerer, die zu einem Kreuzzug aufbrechen, wie Frodo und Sam, oder so. Wir haben ja nur knapp 5400 km zu laufen – also mal eben nach Saudi Arabien, wofür wir laut Maps ungefähr 50 Tage brauchen würden, was ich stark bezweifele. Außerdem ist in Richtung Kanada da noch ein wenig Wasser dazwischen…
Und ganz so heroisch ist es dann auch nicht. Denn um ehrlich zu sein, laufen wir nur etwa 500m, eben bis zur Bushaltestelle. Doch allein das ist abenteuerlich. Der Bus der Linie 60 kickt mich zwar auf dem Weg zur Arbeit regelmäßig um ein Haar von der Bahn und in den Graben, wenn er in halbrecherischer Geschwindigkeit über die winzige Straße rast, aber seine Fahrgäste waren wir noch nie. Doch kurz darauf zerren wir unser Gepäck bereits durch die Bustür – der Busfahrer ist einigermaßen irritiert – es kommt nicht so oft vor, dass er Gäste hat, die zum Flughafen wollen. Wir teilen seine Verwirrung. Denn wir könnten selbst noch gar nicht glauben, dass es jetzt wirklich los geht. Doch irgendwann taucht die Skyline von Frankfurt vor dem Zugfenster auf, prächtige Glasbauten, deren Dächer sich dem Himmel entgegenstrecken, während sich in ihrem Schatten irgendein Unglückseliger aus Paletten, Kartons und einer alten Matratze eine Bleibe gebaut hat. Großstadt. Ein Plastikbecher rollt in der S-Bahn in jeder Kurve zwischen unseren Füßen hin und her. Wir sind bald da.
Booking.com meldet sich mit einer Email. Hm. Die Zahlung unseres Hotel in Halifax hat nicht funktioniert und sie drohen mit Stornierung. Super, wir haben keine Bleibe, wenn wir ankommen. Hastig bezahle ich den Spaß über Paypal, um die Buchung zu retten – ich möchte mir schließlich keine Behausung aus Pappkartons bauen müssen – und denke mir erst einmal nichts dabei. Doch als die Kreditkarte beim Bezahlen der obligatorischen Flasche Wasser im Duty Free ebenfalls streikt, werde ich stutzig. Was ist denn da los? Die Karte hat doch vor wenigen Tagen noch funktioniert und jetzt, da wir zu einer dreimonatigen Reise aufbrechen, quitiert das Ding den Dienst? Ein Anruf bei der Bank bringt Licht ins Dunkel: Offenbar kam es der Bank spanisch vor, dass unser Agent aus Kanada munter Geld von unserer Kreditkarte abgebucht hat und auch der Kauf eines Autoreifens bei Canadian Tire erschloss sich unserer Bank offenbar nicht. Natürlich nicht. Welcher normale Urlauber kauft sich auch schon einen Autoreifen? Schnorchel, Sonnencreme, ein Fernglas, oder einen Reiseführer vielleicht, aber doch keinen Autoreifen. Wir können die Sache aufklären, die Kreditkarte wird wieder freigegeben. Uff.
Wenige Minuten später sitzen wir im Flieger nach London. Das wird auch Zeit. Denn wir haben ordentlich Verspätung und wir wollen den Anschlussflug noch bekommen. Ich schaue nervös auf die Uhr. Die Umsteigezeit von 1,5h ist auf 20 Minuten zusammengeschmolzen. Ich sehe uns schon wieder mit unserem Gepäck und irrem Blick durch die Flure rennen. Da wir in London angekommen aber sowohl noch einmal durch den Securitycheck als auch durch die Passkontrolle müssen, ist da nichts mit Rennen. Stattdessen stehen wir in der langen Schlange allderjenigen, die Dank Braxit ihren Reisepass vorzeigen und eine komplette Einreiseprozdur über sich ergehen lassen müssen. Mist. Zudem ist nur ein Schalter geöffent. Das dauert. Den Anschlussflug können wir vergessen. Da taucht wahrhaftig ein junger Mann auf und fragt nach Passagieren für Halifax. Ist das zu fassen? Wie ein rettender Engel holt er uns aus der Schlange der Wartenden heraus und schon sind wir dran. Dann müssen wir doch rennen – aber auf die Lufthansa ist Verlass. Alles im grünen Bereich, nur keine Eile. Denn der Anschlussflug hat auch Verspätung 🙂 So sitzen wir aufs Neue im Flugzeug und nun geht es wirklich über den großen Teich…
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