Anderstouren

Zu Gast bei Gary und Sandy

Eine gute Teerstraße führt uns fort von der Stadt und weg von dem ekelhaften Luxus, einfach den Hahn aufdrehen und so viel Wasser haben zu können, wie man will, ständig duschen zu müssen, oder gar in den Pool zu springen. Außerdem wird man bei all den Supermärkten, Outdoor- und Technikläden quasi zum Konsum gezwungen. Nun ist es ein seltsames Gefühl, all das wieder hinter sich zu lassen, gewöhnt man sich doch erschreckend schnell wieder daran, in der Zivilisation zu sein.

Wir durchqueren die West Macdonnell Ranges, eine rötliche Bergkette voller Schluchten, die mit herrlich kühlem Wasser gefühlt sind. Doch auch diese Planschbecken, Picknickplätze und der dazugehörige Nationalpark sind nicht unser Ziel. Wir wollen in die Einsamkeit zurück und in eine Gegend, die sonst kein Tourist zu sehen bekommt: Die abgelegenen Aborigine Reservate auf der Grenze zwischen Northern Territorry und Western Australia.

Dafür haben wir uns bereits im Dezember durch seitenlange Bestimmungen gearbeitet, Formulare ausgefüllt und Durchfahrtgenehmigungen beantragt. Zum Teil hat jede Community, Aborigine Gemeinde, eigene Regularien und Antragsverfahren, wobei die Genehmigungsdauer und auch die Kosten sehr unterschiedlich ausfallen können. Bei manchen Gemeinden reicht es, die Kreditkartennummer anzugeben und eine Summe abbuchen zu lassen, bei anderen muss erst ein „Council“ die Genehmigung erteilen, was natürlich länger dauert und manchmal auch gar nicht bearbeitet wird. Außerdem mussten wir die Paragraphen des Northern Territory und Western Australias studieren, wobei sich das Northern Territory deutlich sperriger und weniger besucherfreundlich zeigt. Am Ende hat es ca. acht Wochen gedauert, bis wir alle „Permits“ in der Tasche hatten.

Heute ist es dann soweit: Wir biegen in die Gary Junction Road ein, eine breit geschobene, rote Sandpiste von erstaulich guter Qualität. Sie führt uns über Aborigine Gebiet und am Eingang begrüßt uns ein großes Schild, dass uns gleich den Zutritt untersagt, es sei denn wir haben ein „Transit Permit“. Ja, haben wir. Allerdings erlaubt uns dieses Papier nur die Durchfahrt. Das heißt, dass wir 340 Kilometer weder aussteigen, noch filmen und schon gar nicht campen dürfen. Außerdem sind Alkohol und „Schnüffelstoffe“ wie Campinggas, Kleber und Spraydosen streng verboten. In den Aborigine Gemeinden gibt es sogar eine besondere Sorte Benzin zu kaufen, die extra für diese Region entwickelt wurde. Sie nennt sich „Opal“ und enthält deutlich weniger Benzol, das man schnüffeln kann. Offenbar scheint diese Form des Konsums hier draußen ein echtes Problem zu sein.

Es ist ein komisches Gefühl ein Gebiet möglichst rasch durchqueren zu müssen, es aber nicht betreten zu dürfen. Wir fühlen uns ein bisschen eingesperrt und als würden wir in einem Glaskasten durch diese Gegend fahren. Das ist auch wirklich schade, denn die Landschaft, die vor dem Fenster vorbeizieht, ist atemberaubend schön. Die unendliche Weite wird von leuchtend gelbem Spinifex bedeckt, ein besonders hartes und widerstandfähiges Gras, das die Termiten allerdings verwerten können. Sie bauen daraus kunstvolle Termitenhügel, die sich immer wieder aus der Landschaft erheben. Hier und dort steht ein grüner Busch, oder ein verdorrter Baum. Aber was uns besonders beeindruckt, ist die verblüffende Tatsache, dass es hier außer der Strasse absolut nichts gibt, was von Menschenhand geschaffen wurde: Kein Zaun, kein Haus, kein Viehgatter. Hier gibt es nur die weite Ebene und im Hintergrund eine rote Bergkette, namenlos, ohne Picknickplätze und Planschbecken. Sie ist nicht weniger schön, als die berühmten Macdonnell Ranges und dennoch bekommt sie niemand zu sehen, zumindest kein Weißer.

Wir fahren bis in die Nacht. Obwohl die Piste es erlaubt, dass die Tachonadel immer wieder an die 70 stößt, brauchen wir für 340 Kilometer auf Schotter einfach zu lange, um die Gary Junction Road noch vor der Dunkelheit zu verlassen. Einmal passieren wir dabei ein weites, verkohltes Feld, auf dem die Buschfeuer vor Kurzem gewütet haben. Hier und da steigt noch eine müde Rauchsäule auf, ein ausgebrannter Baumstumpf glüht in der Dämmerung und einige Flammen zügeln an dem umgestürzten Baum empor. Endzeit Stimmung.

Auf der Sandy Blight Junction Road

Wenig später verabschieden wir uns dann von dem guten Gary und erreichen die Sandy Blight Junction Road, eine deutlich kleinere, wenig befahrene Piste, die sich nach Süden windet. Sandy macht ihrem Namen alle Ehre, denn stellenweise fahren wir durch tiefen Sand. Dafür ist hier aber das Campen wieder erlaubt und bereits wenige Kilometer nach dem Abzweig finden wir einen idealen Platz für die Nacht. Vor einiger Zeit haben hier die Buschfeuer das Spinnifex ausgemerzt und wir können uns auf eine recht freie und ebene Fläche stellen. Während die Termiten das trockene Gras zu lieben scheinen, ist Spinnifex für uns gleich in dreierlei Hinsicht ein Problem: Zum einen hat es die unangenehme Eigenschaft sich mit seinen kleinen Widerhaken in Hose und Haut zu krallen, zum anderen wickelt es sich mit Vorliebe um die Dichtringe des Getriebes und sorgt dafür, dass sie undicht werden und zu guter letzt entzündet sich das trockene Zeug auch gerne, wenn es mit dem heißen Motorraum in Berührung kommt. Hier ist also Vorsicht geboten!

Umso glücklicher sind wir über unseren „Campingplatz“ und zur Feier des Tages gibt es ein wahres Festessen: Kängurufilet auf frischem Salat. Danach sitzen wir in der völligen Dunkelheit in unseren Stühlen und lassen die Atmosphäre dieser Nacht auf uns wirken. Hier draußen ist wirklich nichts und niemand. Es ist vollkommen still und weit und breit ist keine andere Lichtquelle zu sehen, als dieser grandiose Sternenhimmel, der sich über uns wölbt. Immer wieder flitzen Sternschnuppen über das dunkle Firmament und wir wünschen uns eilig etwas. Die Stille, die Einsamkeit und die Klarheit dieser Nacht machen etwas mit einem und ich könnte heulen, wenn ich mir vor Augen führe, wo wir hier gerade sind: Mitten im Outback, mitten im Herz Australiens, aber auch ziemlich weit weg von zu Hause…

3 Kommentare

  1. Und wieder seid ihr mitten im Nirgendwo, das euch mit Sternschnuppen begrüßt 🙂 Ich schicke euch viele liebe Grüße, diesmal aus Frankfurt – zwei Tage Fortbildung, an so etwas müsst ihr glücklicherweise nicht denken!

  2. Da schick ich doch mal schnell von ganz in der Nähe von eurem zu Hause ein paar sonnig-kühle Grüße ins Herz von Australien! Heute wird ein wunderbar klarer Tag werden, am Sonntag werden die Uhren umgestellt, alles ruft nach WOCHENENDE! Und die Kinder sehnen sich nach den Osterferien. Noch 2 Wochen… Wir schaffen das! Grüße ans andere Ende der Welt! Und, Sonja, du schreibst immer soooo schön! Mach doch ein Buch daraus! Was ihr erlebt können andere dann nachempfinden… Die Durchfahrtsgenehmigungen werde ich gewiss nie im Leben besorgen müssen… Aber es ist toll, davon – und allem anderen – zu lesen! Also, ran ans Buch! 🙂

    1. Wie schön, dass ihr unsere Reise so „miterlebt“. Dass mit dem Buch überlegt ich mir noch ;)) Ganz herzlichen Glückwunsch zur neuen Stelle. Wir freuen uns mit Dir!! Super, dass es geklappt hat! Tolle Osterferien Euch,
      Sonja und Christian

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